Abschied von Tugce Albayrak

Rund 1500 Menschen erweisen der getöteten Studentin die letzte Ehre

  • Lesedauer: 3 Min.
Familie und Freunde versammelten sich in großem Schmerz. Tugce Albayrak, die auf tragische Weise starb, findet in ihrem Heimatort Bad Soden-Salmünster die letzte Ruhestätte.

Der traurige Abschied von Tugce Albayrak beginnt in einem schmucklosen Gewerbegebiet von Wächtersbach. Dort steht neben einer Holzwerkstatt und Bahngleisen das gelbe Moschee-Gebäude des Türkisch-Islamischen Kulturvereins (Ditib). Das grau-kalte Wetter verstärkt die bedrückende Atmosphäre, die heute in diesem Ort herrscht. Im Freien bahren Helfer den dunkelbraunen, geschmückten Sarg mit dem Leichnam der jungen Lehramtsstudentin auf. Viele der rund 1000 Trauergäste weinen, als ein Gebet für Tugce gesprochen wird. Sie war nach einer Prügelattacke Mitte November in Offenbach ins Koma gefallen und nicht mehr erwacht.

Auf zwei Tischen vor dem Moschee-Gebäude liegen zahlreiche Blumengebinde, mit denen die Menschen ihre Anteilnahme und Trauer ausdrücken. Ein Gesteck aus rosa und weißen Rosen trägt ein Band mit der Aufschrift: »Es hätte auch meine Tochter sein können«. An einem anderen steht: »Unser Engel, Du wirst immer in unseren Herzen bleiben.«

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und der türkische Botschafter in Deutschland, Hüseyin Avni Karslioglu, sowie der Offenbacher Oberbürgermeister Horst Schneider (SPD) erweisen Tugce die letzte Ehre. »Wir sind alle sehr traurig. Das ist eine sehr emotionale Situation für uns«, sagte der Ditib-Vorsitzende von Wächtersbach, Hakan Akbulut.

Nach dem islamischen Totengebet wurde der Sarg in einem Konvoi zur Beerdigung nach Bad Soden-Salmünster gebracht. Die Trauergäste wurden in mehreren Bussen transportiert, die Landstraße wurde zeitweilig für den Verkehr gesperrt.

Die tragische Geschichte der Lehramtsstudentin hat zahlreiche Menschen bewegt, viele drücken Entsetzen und Trauer über die sozialen Netzwerke im Internet aus. Egi Deidda (42) und ihre Tochter Alicia (14) sind aus dem nahen Maintal zur Trauerfeier nach Wächtersbach gekommen. »Nicht jeder hat solch einen Mut wie sie. Ich hätte wahrscheinlich wie viele andere weggeschaut«, sagt die Mutter über Tugce.

Die junge Frau war nach bisherigen Erkenntnissen in einem Schnellrestaurant zwei Mädchen zur Hilfe gekommen, die von Männern belästigt worden sein sollen. Unter den Männern war auch der 18-Jährige, der später auf dem Parkplatz zugeschlagen haben soll. Er sitzt seither in Untersuchungshaft. Noch ist unklar, ob der Schlag oder Tugces Sturz, bei dem sie mit ihrem Kopf heftig auf den Boden prallte, die letztlich tödlichen Verletzungen verursacht hat.

Schon am vergangenen Freitag war es vor der Klinik in Offenbach, in der die Studentin behandelt wurde, zu sehr bewegenden Szenen gekommen. Es war Tugces 23. Geburtstag. Am Abend, als die lebenserhaltenden Maschinen abgestellt wurden, harrten rund 1500 Menschen vor dem Krankenhaus aus.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Offenbach sagte am Mittwoch, dass im Fall Tugce Albayrak zügig Anklage erhoben werden soll. »In Haftsachen, insbesondere mit Jugendlichen, sollte möglichst innerhalb von sechs Monaten angeklagt werden und die Hauptverhandlung beginnen.« Mit dem Ergebnis aller Obduktionsergebnisse sei im Januar zu rechnen. Zur aktuellen Ermittlungsarbeit gehöre auch, die Qualität des Videos vom Tatgeschehen auf dem Parkplatz vor dem Offenbacher Schnellrestaurant verbessern zu lassen.

Bundespräsident Joachim Gauck schlug am Mittwoch zudem vor, der Studentin Tugce posthum einen Verdienstorden zu verleihen. Bundesregierung und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßten diesen Vorschlag. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte in Berlin, dass sie »große Sympathie« für entsprechende Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck hätten. Vor fünf Jahren war auch Dominik Brunner, Manager aus dem niederbayerischen Ergoldsbach, nach seinem tödlichen Einsatz als Streitschlichter in München posthum mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden. Agenturen/nd

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