Im Zauberland der ungetrübten Freude
Christian Eisert: »Kim und Struppi«, eine touristische Reportage durch das Nordkorea der großen und geliebten Führer
Was für eine nette Geschichte: Da besucht ein Knabe die Schule mit dem eindrucksvoll-sperrigen Namen »Schule der Freundschaft zwischen der DDR und der KDVR«. Und es wächst der Wunsch, dieses Land mit einer wunderschönen Wasserrutsche für Kinder in der Hauptstad Pjöngjang, die er einst auf einem Foto bewundert hat, einmal mit eigenen Augen zu sehen. 25 Jahre später ist es soweit. Die DDR gibt es schon lange nicht mehr. Aus dem Jungpionier ist ein Journalist geworden, aus der KDVR (Koreanische Demokratische Volksrepublik) die DVRK (Demokratische Volksrepublik Korea), das Land wird nicht mehr vom großen Führer Kim Il Sung dirigiert, sondern vom geliebten Führer Kim Jong Un, dem Enkel des Göttervaters. Journalisten sind in Nordkorea sehr willkommen - wenn sie die DVRK als Paradies der Menschheit und Hort der Weltrevolution hochloben. Wer sich umschauen, mit den Leuten sprechen, ein halbwegs ehrliches Bild vom Leben und dem Alltag zeichnen will, der hat es schwer, ins Reich der Kims zu kommen. Und so reisen Christian Eisert und seine deutsch-vietnamesische Fotokollegin Thanh Sandra Schäfer als Touristen.
Durch Nordkorea reist man nicht, man wird begleitet. Man ist nie allein, weder auf der Straße, noch in der Untergrundbahn, noch im Hotel. Immer sind die nett-naiven, stets korrekt dunkel gekleideten Reisebegleiter, die es so wunderbar verstehen, auf die vielen Fragen keine Antworten zu geben, an ihrer Seite. Aus dieser Partnerschaft mit den zwei Betreuern Chung und Rym entwickeln sich die Geschichten. Gemeinsam dürfen sie Triumphbogen, Gedenkstätten, Museen, Heldendenkmäler besichtigen und sich durch kleine und große Touristenärgernisse quälen. Ansonsten gilt: Keine Fehler machen, nicht anecken, nicht übermäßig neugierig sein, dann kommt man ganz gut über die Runden. Und Rückerstattungsansprüche gibt es sowieso nicht.
Nordkorea: ein Land, wo die Menschen keine Steuern zahlen, unentgeltlich medizinisch betreut werden, es keine privaten Pkw gibt, rostige Lkw über einsame Straßen scheppern, der Strom nicht für alle Tageszeiten reicht, Losungen statt Reklame die Wände schmücken, karger Lohn nach Kastenzugehörigkeit verteilt wird, es kein Südfernsehen gibt, kein privater Telefondraht die Grenze zum verfeindeten Bruder überwindet, wo alle Menschen die Plaketten mit dem Abbild Kim Il Sungs an den Anzügen oder Kostümen tragen, jedes Zimmer mit einem Kim-Porträt ausgerüstet ist und die Welt einzig und allein aus Nordkorea besteht - von der Geburt bis zur Urne.
Es sind die vielen, fein beobachteten Details einer ungewöhnlichen Reise, die uns das Land und ihre Menschen näherbringen. Eisert zeigt für die Eigenartigkeiten eines von der Welt verfemten Staates den dafür notwendigen trockenen Humor, um mit den für sie ungewohnten Alltagssituationen klarzukommen. Doch er schreibt weder abfällig noch bösartig, er zeigt Respekt vor den Menschen mit einem völlig anderen Kulturhintergrund, akzeptiert die unterschiedliche Weltsicht.
Hin und wieder versuchen die beiden Reisenden, den Helden zu spielen, stille Widerständler gegen das allgewaltige Vergötterungssystem. Das hätten sie den Lesern und vor allem sich selbst auch ersparen können. Wer in ein muslimisches Land reist, der wird sich nicht mit dem Propheten anlegen. Wer die DVRK besucht, der fährt nicht unbekümmert in ein beliebiges Touristenland, der weiß, was einem unter der Glocke der großen und geliebten Führer erwartet. Also bitte keine überflüssigen Trotzreaktionen. Und der Buchtitel? Nun ja, es gibt Schlimmeres.
Christian Eisert: Kim und Struppi. Ferien in Nordkorea. Ullstein. 317 S., geb., 14,99 €.
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