Koalitionstreu, aber nicht blöd
CSU-Chef zieht auf Parteitag in Nürnberg klare Frontlinie gegen rot-rot-grüne Gefahr
»Jo, wos sogts jetzt nachad du do dazua?«, diese Frage stellte sich den Delegierten auf dem Nürnberger Parteitag der CSU am vergangenen Wochenende hinsichtlich des Leitantrages, der fordert, dass Migranten auch zu Hause Deutsch sprechen sollten. Der Antrag, der im Vorfeld für Protest, Hohn und Spott gesorgt hatte, wurde in leicht veränderter Form (jetzt: »im täglichen Leben«) angenommen, ebenso wie drei weitere Vorlagen zu Außenpolitik, Wirtschaft und Finanzen. In seiner Rede vor den Delegierten beschwor CSU-Chef Horst Seehofer erneut den »Mythos CSU«. Zudem verurteilte er die Brandanschläge auf das Asylbewerberheim im mittelfränkischen Vorra als »schändliche Taten«. Die Frage der Nachfolge des CSU-Chefs blieb auf dem offiziellen Parteitag weitgehend ausgeklammert.
Seehofers Reden gleichen mit zunehmender Amtszeit als Ministerpräsident auch zunehmend einem Beweihräucherungsritual des real existierenden Paradieses namens Bayern, das er im Übrigen mit seiner CSU gleichsetzt. So gab es auch auf diesem Parteitag zunächst jede Menge Zuckerguss für die Delegierten: »Der Mythos CSU lebt, die CSU ist gut drauf, bärenstark, gut in Schuss«; »Die Bayern sind die glücklichsten Deutschen«; Bayern sei »eine Insel des Wohlstandes«, »Bayern ist etwas Einzigartiges«. Ansonsten war die Rede mit dem Verweis auf den »goldenen September« geprägt von Rückbesinnung auf die Wahlerfolge im vergangenen Jahr, die der Partei wieder die Alleinherrschaft in Bayern gebracht hatte.
Dass dies weiter so bliebe, dazu beschwor Seehofer das Wort von Franz Josef Strauß, wonach es rechts von der CSU keine Partei geben dürfe. Ziel sei weiterhin die absolute Mehrheit, das Nachdenken über mögliche Koalitionspartner in Bayern überflüssig. Auf Bundesebene warnte er den Koalitionspartner SPD scharf vor einem rot-rot-grünen Bündnis, wie es jetzt in Thüringen zustande gekommen war: »Wir sind koalitionstreu, aber blöd sind wir nicht.« Die SPD werde die Chance einer rot-rot-grünen Regierung auch im Bund ergreifen: »Der Frontverlauf ist jetzt für jeden hoffentlich klar«, so Seehofer.
An die Schwesterpartei CDU appellierte der CSU-Chef, durch eine klare Politik wieder mehr Wahlerfolge auf Länderebene einzufahren. Die Anzahl der christdemokratischen Länderchefs sei ja stark dezimiert worden, monierte Seehofer.
Zu dieser von ihm geforderten klaren Politik gehöre auch die Neuregelung des Länderfinanzausgleiches, es gelte »Bayern zuerst«. Seehofer sprach sich dabei auch für eine Regionalisierung der Erbschaftssteuer aus, was nichts anderes heißt, als dass es dann unterschiedliche Höhen der Erbschaftssteuer in Deutschland geben soll. Ein Schwerpunkt der CSU-Politik sei auch die Bekämpfung der kalten Progression, »weil wir die Partei der Leistungsträger sind«.
Ansonsten beschwor Seehofer die Familienpolitik der Partei, das christliche Menschenbild und die christliche Soziallehre als »Wertgerüst« und den digitalen wirtschaftlichen Aufbruch. Dreiviertel der jährlichen bundesweiten Ausgaben von zwei Milliarden Euro für den Breitbandausbau würden in Bayern getätigt. Am Schluss seiner Rede forderte Seehofer, die Partei - die im Übrigen in einem »Liebesverhältnis« zu Bayern stehe - müsse »hungrig bleiben« und dürfe nicht zu satt werden. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer würdigte danach Seehofer als »Vorstandsvorsitzenden der Weltmarke Bayern«.
Mit Angeboten wie einer Mitgliedschaft auf Zeit wollte sich die Partei auch ein modernes Profil hinsichtlich Mitgliederbeteiligung und Basisdemokratie geben, was freilich zunächst in die Hose ging. So wurde die Diskussion über strittige Themen zum Ärger vieler Delegierter ohne Aussprache abgebrochen.
Diskussionsleiter Max Straubinger ließ unvermittelt darüber abstimmen, ob Anträge noch behandelt werden sollten. Anschließend erklärte Straubinger, es habe eine »klare Mehrheit« für die Beendigung der Debatte gegeben - obwohl manche Delegierte sich keineswegs sicher waren, dass das Ergebnis so eindeutig war. So umschiffte die Parteitagsleitung unter anderem die Diskussion über Anträge der CSU-Familienkommission und der Frauen-Union, kostenlos Verhütungsmittel an bedürftige junge Frauen abzugeben, um die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche zu senken.
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