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»Spießerponys auf dem Weg zur Spätschicht«
Was hilft im Kampf gegen die AfD?
In Dresden waren vergangene Woche 10.000 Menschen auf der Straße. Montags. 10.000 Menschen, die glauben, es stünde eine Islamisierung des Abendlandes bevor und die sich patriotische Europäer nennen: Pegida. Die sich deswegen mit Deutschlandfähnchen bewaffneten. Noch vor wenigen Wochen hatte in Köln eine ähnliche Bewegung der abgekürzten Satzkonstrukte zu einer Demonstration aufgerufen. Unter dem selbst erdachten Label Hogesa versammelten sich Nazis, rechte Hooligans und spinnende Bürger*innen, um ihre Parolen und ihre Gewalt auf die Straße zu tragen. Die Öffentlichkeit, Politiker*innen und Polizei waren überrascht von den Aufmärschen.
Warum eigentlich? Seit Jahren ist bekannt, dass die »Mitte« der Gesellschaft in hohem Maße Anhängerin von Ressentiments, rassistischer, antisemitischer oder homophober Couleur ist – das einzig verwunderliche ist, dass es die Couch-Potatoes auf die Straße geschafft haben, um ihren Unwillen über den Islam, Europa und/oder Verschwörungstheorien vor Fernsehkameras zu demonstrieren. Was in Deutschland, aber auch in Europa, zu verzeichnen ist, ist ein rechter Rollback, ein ressentimentgeladenes Wutbürgertum, das sich in Zeiten von Krise, Ausbeutung und Wahnsinn durch Kreuzchen auf dem Wahlzettel oder eben umgeben von anderen Demo-Tourist*innen erleichtern möchte.
Derartige politische Dreckschleudern gibt es auch in gesetzterer Form. Sie kommen mit Vorliebe in Anzügen oder Poloshirt-V-Ausschnitt-Versionen daher. Die selbsternannten Querdenker und Mutigen, die die Wahrheit aussprechen, sammeln sich seit 2013 in der neuen Partei Alternative für Deutschland (AfD). Die AfD hat bei der letzten Europawahl in diesem Jahr einen beachtlichen Erfolg eingefahren. Auch im restlichen Europa sind die Rechten sichtbar auf dem Vormarsch: Ukip in England, Front National in Frankreich oder die Goldene Morgenröte (im Gegensatz zu den Populisten eine klassische neonazistische Partei) in Griechenland machen nicht nur Refugees und progressiven Politiker*innen das Leben schwer. Sie stehen für eine Krisenlösung, die einfach, aber falsch ist. In einer Welt, die zunehmend überkomplex wirkt, ist das beim gemeinen Wahlvolk herzlich willkommen.
»In deinen Armen habe ich kurz vergessen, dass sie hinter mir noch schießen«
Bei allem Kritisieren der AfD und ihrer Fußsoldaten sollte nicht vergessen werden, dass die gesellschaftlich immer schon etablierte CDU und auch die SPD ebenfalls ordentlich Dreck am Stecken haben. Ihnen ist anzukreiden, dass sie seit Jahrzehnten rassistische Politik betreiben, dass dieses Jahr über 3000 Menschen jämmerlich in den Wellen des Mittelmeers ersoffen sind, dass die Krisenpolitik in Europa auf Kosten der Armen, Schwachen und Kranken geht. Dabei liebäugelt die CDU auch offen mit dem Bereich rechts außen. Der viel zitierte und schon allen aus den Ohren wieder rauskommende Spruch von Strauß, rechts von der CDU dürfe es keinen Raum für eine andere Partei geben, heißt nicht, wir befänden uns in einer wehrhaften Demokratie und ehrten unser antifaschistisches Selbstverständnis. Es heißt, wenn jemand von rechts angelaufen kommt wie etwa die AfD, bewegt sich die CDU einfach schnellstmöglich auch nach rechts. Zeichen dieser Zeit gibt es aktuell genug, zuletzt trieb sich die Rechtsaußen-Spitze der Partei, die bayerische CSU, mal wieder selbst mit einem Vorstoß ins Rampenlicht: Menschen mit Migrationshintergrund sollen zu Hause Deutsch sprechen. Dabei kann das kein einziges bayerndes CSU-Mitglied von sich behaupten.
Die CDU ist aber auch einer Koalition und Kooperation mit der AfD längst nicht so abgeneigt, wie Führerin Merkel es stets widerborstig behauptet. Auf Dorf- oder Kreisebene sitzen die Parteifreunde längst miteinander am Stammtisch oder besuchen sich gegenseitig bei Wahlkampfveranstaltungen. Dass es auch auf Landesebene Bemühungen gibt, einen Ministerpräsidenten der Partei Die Linke zu verhindern, indem die CDU sich mit der AfD zusammentut, ist vergangene Woche an die Öffentlichkeit gekommen – verwunderlich ist das nicht. Der thüringische CDU-Fraktionschef Mike Mohring, von einem Parteikollegen als »junger Stürmer, der voll im Saft steht« gelobt, flirtete im Vorfeld der Ministerpräsidentenwahl offen mit der AfD. Mit ihr wollte die CDU die Wahl des Linken Ramelow verhindern. »Die CDU muss stehen und die AfD muss stehen. Also wenn, muss ich mit 45 Stimmen da rausgehen«, rappte Mikey M. dem Gelegenheits-Klatschmagazin »Spiegel Online« vor.
Die AfD ist eine rassistische und sozialchauvinistische Partei. Alle ihre Beteuerungen, sie sei das gar nichts, ändern dabei nichts an den Fakten. Die Hogesa-, Pegida-, whatever-Bewegungen werden uns in Zukunft nicht zur Ruhe kommen lassen mit ihrer ärmlichen Politik – ebenso wie sich die Krise nicht in Luft auflöst. Sie werden die Straßen verstopfen und mit hoher Wahrscheinlichkeit immer mehr werden. Die AfD ist ihre Partei. Alle zusammen gilt es zu bekämpfen.
»Es ist noch nie ein Boxer in den Kampf gegangen, der Vorsicht heißt«
Und nun, was tun? Die klassischen Antifa-Methoden (Demonstrationen, Schildkrötenformationen, die sich am Ende Glühwein bei Grünen und SPD abholen – beobachtet von den Genoss*innen des Lower-Class-Magazines, Blockaden, Fäuste in die Fressen) sind nicht das richtige Mittel bei rechtspopulistischen, wortstarken Parteien wie der AfD – wenn das Ziel in ihrer gesellschaftlichen Isolation liegen soll. Die Isolation von rechten Kräften funktioniert in der Bundesrepublik über zwei Mechanismen. Erstens: das Tabu jeglicher politischer Zusammenarbeit mit Menschen, die sich positiv auf den Nationalsozialismus beziehen. Zweitens: das bürgerliche Tabu explizit politischer Gewalt.
Klar. Immer wieder finden sich vereinzelt Nazis in den Reihen der AfD plus diejenigen, die sich in Grauzonen bewegen und weitgehend unsichtbar dahinwabern. Da die AfD jedoch eine von Professoren mit Regenschirmen in der Luft angeführte und zugleich ordentlich durchhierachisierte Partei ist, gibt sich die Führungsspitze alle nur erdenkliche Mühe, die Flausen der Basis, bisweilen auch der Führer*innen, mit pazifistischer Farbe zu übermalen. Die Absage an Rechte und Gewalt ist keine reine Rhetorik, sondern ein Programm, das mit einer gewissen Ernsthaftigkeit von oben versucht, nach unten durchzutreten. Die AfD ist weder eine Neonazi-Organisation, noch gehört die politische Gewalt zu ihrem akzeptierten Repertoire (sofern man an dieser Stelle die angestrebte Forcierung der Gewalttätigkeit der bestehenden Verhältnisse ausklammert). Das gilt bei der AfD zudem für alles, was in Deutschland gemeinhin gegen die bürgerliche Etikette verstoßen könnte. Auch ein öffentliches Ausbuhen der AfD durch andere Parteien macht diese Strategie kompliziert.
Eine inhaltliche Abgrenzung zur AfD oder zumindest ein Versuch derselben, findet vonseiten der etablierten Parteien, insbesondere von CDU und SPD nicht nur kaum oder höchst dilettantisch statt, es kann auch gar nicht glaubwürdig in Szene gesetzt werden. Denn Marktradikalismus, Nationalismus, Sozialchauvinismus und traditionelle Rollenbilder sind auch bei dem Großteil der sich als »Mitte« Verstehenden weit verbreitet. Deswegen: Wer die AfD bekämpfen will, muss ihre Ideen angreifen – ihr Gesellschaftsbild gilt es als Schein-Alternative zu kritisieren und politisch zu delegitimieren.
Das Problem AfD kann von den Linken nicht durch die Vogel-Strauß-Methode gelöst werden. Im Gegenteil: volle Konfrontation! Nur weil das keine klassischen (Neo-)Nazis sind, die von Antifa-Recherchespezialisteneinheiten geoutet werden müssten, stellen sie trotzdem eine Bedrohung der Gesellschaft wie die Linke sie wünscht dar – ihre Politik diffamiert jedes emanzipatorische Projekt. Das kann für Gegenstrategien heißen: 1. Konfettiaktivismus – statt im Black Block ein gut gekleidetes Bedrohungsszenario aufzubauen, können die (vorwiegend) Herren der AfD leicht mit mehreren Päckchen Konfetti über dem Kopf verschönert werden, hilfreich wie harmlos ist auch auswaschbares Farbpulver (siehe hierzu die Kampagnenauswertung der Gruppe kritik&praxis [f]) 2. die Strategie der Lächerlichmachung sollte nicht verschleiern, dass es sich hier um einen auch argumentativ ernstzunehmenden Gegner handelt, daher auch 3. die Notwendigkeit einer schlüssigen inhaltlichen Gegenargumentation – und die Bereitstellung einer emanzipatorischen Alternative.
Es führt kein Weg daran vorbei, sich in die gesellschaftlichen Konflikte einzumischen und dabei auch mal schmutzige Hände zu bekommen – sei es beim Thema Rechtspopulisten, bei der Unterstützung von Refugees, gegen Islamisten, gegen die EU-Krisenpolitik oder beim Kampf für bezahlbaren Wohnraum. Dabei sollten wir weder falsche Zurückhaltung noch vorauseilendes »Unsere-Rolle-ist-nur-Antifa«-Gehorsam präsentieren, sondern selbstbewusst kommunistische und emanzipatorische Ideen vertreten. Die von der AfD offerierte Gartenzwergwelt ist ein gesellschaftlicher Horror, mit jedem Schlag gegen sie haben wir eine Welt zu gewinnen.
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