Deutscher Islamist als Mitglied der IS-Führung offenbar im Irak gefallen

Gebürtiger Ägypter soll »Bildungsminister« des Islamischen Staates gewesen sein / Reda Seyman verkehrte im islamistischen Zentrum in Neu-Ulm

  • Lesedauer: 3 Min.
Der deutsche Islamist Reda Seyam, unter dem Kampfnamen »Dhul Qaranain« zum angeblichen Bildungsminister des »Islamischen Staats« aufgestiegen, soll im Irak gefallen sei.

Hamburg. Ein Deutscher soll in den höchsten Führungszirkel der Terrororganisation »Islamischer Staat« aufgestiegen sein. Nun heißt es, er sei im Irak gefallen. Das berichtete am Dienstag das Portal tagesschau.de unter Bezugnahme auf Informationen des Rechercheverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung . Der deutsche Islamist Reda Seyam soll unter dem Kampfnamen »Dhul Qaranain« zum angeblichen Bildungsminister des so genannten Islamischen Staats ernannt worden sein, Angaben, die auch deutsche Sicherheitskreise bestätigt hätten. Damit wäre Seyam der ranghöchste Deutsche innerhalb der Terrormiliz IS. Dokumente, die dem Rechercheverbund vorliegen, belegen, dass Dhul Qaranain der vom IS kontrollierten Universität der irakischen Stadt Mossul Anweisungen gegeben hat, ebenso Schulen, die vom IS kontrolliert werden. So untersagte er u. a. den Musik-, Kunst-, Geographie- und Sozialkundeunterricht.

Nach Meldung einer irakischen Nachrichtenseite soll jener Dhul Qaranain, den NDR, WDR und SZ als Reda Seyam identifizieren, am Wochenende des 6./7. Dezember südlich der irakischen Stadt Mossul bei Kampfhandlungen ums Leben gekommen sein. Inzwischen bestätigte auch die irakische Regierung den Tod des Bildungsministers Dhul Qaranain.

Wie der Rechercheverbund ermittelte, hatte Reda Seyam eine jahrzehntelange Karriere als Dschihadist hinter sich. Anfang der 1990er-Jahre verkehrte der gebürtige Ägypter im so genannten Multikulturhaus in Neu-Ulm. Das islamistische Zentrum, das 2005 von bayerischen Behörden geschlossen wurde, erlangte als Treffpunkt von Terroristen internationale Bekanntheit. So zählten auch Mohammed Atta, Attentäter des 11. September 2001, und Said Bahaji, Cheflogistiker der Anschläge vom 11. September, zu den Besuchern des Zentrums. Weitere prominente Terrorverdächtige, die im Neu-Ulmer Islamistenzentrum verkehrten, waren Mamdouh Mahmud Salim, der zeitweilig als Osama Bin Ladens Finanzchef fungierte und mitverantwortlich für die Anschläge auf die US-Botschaften in Nairobi und Daressalam mit Hunderten Toten sein soll, und Fritz Gelowicz, Mitglied der so genannten Sauerlandzelle, die einen Bombenanschlag auf US-Soldaten in Deutschland plante.

Während des Bürgerkriegs in Jugoslawien hielt sich Seyam nach Angaben der Rechercheure zeitweilig in Bosnien auf - hier produzierte er Propagandavideos, die Mudschahedin glorifizierten. Seyam wird zudem verdächtigt, Finanzier der Bombenanschläge von Bali im Jahr 2002 gewesen zu sein - ein Vorwurf, für den er sich nie vor einem Gericht verantworten musste. Bei den Anschlägen starben 202 Menschen, darunter 6 Deutsche. Der siebenfache Vater Seyam lebte jahrelang mit seiner Familie in Berlin-Charlottenburg von Sozialhilfe und stand unter enger Beobachtung deutscher Sicherheitsbehörden. In dieser Zeit fiel er erneut als Produzent von Propagandavideos und Agitator in der salafistischen Szene der Hauptstadt auf. Reda Seyam pflegte auch engen Kontakt zu Dennis Cuspert, der als Gangsterrapper unter dem Namen Deso Dogg bekannt wurde und inzwischen unter dem Kampfnamen Abu Talha Al Almani für den IS in Syrien kämpft. Cuspert und Seyam waren auch im Mai 2012 an der salafistischen Demonstration in Bonn beteiligt, bei der 29 Polizisten verletzt wurden. Kurz danach wanderte Seyam in sein Geburtsland Ägypten aus, das damals unter islamistischer Herrschaft stand. Später soll er sich nach Erkenntnissen von Sicherheitsbehörden im türkischen Reyhanli aufgehalten haben. Im August 2013 berichtete das ARD-Magazin »Report Mainz«, dass sich Seyam in Syrien aufhält. nd

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