Die alte Anti-Castro-Politik ist Geschichte
Jubelnde Cubanos, verdutzte Hardliner, kritische Republikaner: Wie die USA auf den neuen Kuba-Kurs von Barack Obama reagieren
12 Uhr mittags: maximale Fernseh-Lautstärke in Tausenden von Bodegas. Denn von Miami bis New York und Washington bis Los Angeles hatte sich in den Morgenstunden herumgesprochen, dass Präsident Obama Neues zur Kubapolitik ankündigen werde. Nach seiner 15-minütigen Live-Ansprache ist klar: mehr als Neues, nämlich Historisches.
Alteingesessene TV-Haudegen, die während er kubanischen Revolution Kinder oder noch gar nicht geboren waren, reagieren auf die Obama-Rede mit Begriffen wie »Durchbruch«, »dramatisch« oder auch »Einschlag einer Bombe«. Der 77-jährige CBS-Dinosaurier Bob Schieffer kam seine Fassungslosigkeit nicht verbergen. »So etwas« habe er »schon lange nicht mehr erlebt«. Eine letzte Bastion des Kalten Krieges sei gefallen.
Live-Schaltungen zu den Bodegas und Wohnvierteln von kubanischen Einwanderern und Amerikanern mit kubanischen Wurzeln ergeben bis auf ein paar Ausnahmen freundliche Zustimmung oder höfliche Ablehnung. In Union City im Bundesstaat New Jersey, wo sich Tausende von Cubanos niedergelassen haben, sagen hintereinander mehrere Jüngere, sie seien »happy«, es sei »Zeit geworden« und »endlich wird das normal«. Auch aus Miami, der Hauptstadt der Exil-Kubaner und vieler weiterer Einwanderer aus Zentral- und Südamerika, berichten Minuten nach der Obama-Rede die TV-Sender.
Auffällig an den Reaktionen ist bei den Cubanos der Generationsunterschied: wer älter ist, äußert sich skeptisch oder lehnt die Normalisierung grundsätzlich ab. Jüngere zeigen Verständnis oder loben Obama sogar. Interviewte Latinos, die Nicht-Kubaner sind, stimmen fast ausnahmslos zu. Seit mehreren Jahren zeigen Meinungsumfragen, dass die alte Anti-Castro-Politik inzwischen von gut der Hälfte der Exil-Kubaner abgelehnt wird.
Trotzdem richten die Fernsehsender ihre Kameras mit Vorliebe auf diejenigen, die sich gerne als kubanisch-amerikanischen Freiheitskämpfer wider die kommunistische Diktatur inszenieren, die der »sozialistische« US-Präsident Obama bediene. Die Tageszeitung »Miami Herald« zitierte beispielsweise den Vorsitzenden des Bezirks Miami-Dade Esteban »Steve« Bovo mit den Worten, Obama habe »die Exil-Kubaner unter den Karren von Castro geworfen« und betreibe den »Ausverkauf« der USA.
Die Probleme, die der Normalisierung der Beziehungen zur Karibikinsel entgegenstehen, lassen sich allerdings mit den auch weiterhin aktiven Hitzköpfen in »Little Havanna« nicht erklären. Denn die Kubapolitik der USA bleibt ein heißes Eisen, da die von Obama angekündigten Schritte den US-Kongress passieren müssen. Unmittelbar können Normalisierungsgegner beispielsweise die Nominierung eines USA-Botschafters in Havanna blockieren.
Darüberhinaus sind Normalisierungsbemühungen ein gefundenes Fressen für die Republikaner, die sich für ihre parteiinterne Nominierungsschlacht zu den Präsidentschaftswahlen 2016 warmlaufen. So suchten Minuten nach Obamas Rede zwei rechte Hoffnungsträger das Scheinwerferlicht. Senator Marco Rubio aus Florida, der Sohn von kubanischen Immigranten, nahm unverzüglich eine Rechtsaussenposition ein. Obama´s Ankündigung sei»wirklich erschütternd und kontraproduktiv«, sagte Rubio, die gesamte USA-Aussenpolitik »mehr als naiv und bewusst ignorierend, wie die Welt funktioniert«. Wenn das Embargo wegfällt, dann setze Washington den Hebel »für eine demokratische Öffnung« Kubas ausser Kraft.
Als zweite Republikaner-Prominenz meldete sich der ehemalige Gouverneur von Florida Jeb Bush zu Wort, der tags zuvor eine Nominierung als Kandidat angedeutet hatte. Auch er wandte sich gegen ein Ende des Embargos. Vor der Aufhebung müsse Kuba »politische Gefangene freilassen, Demokratie in Gänze zulassen und die Marktwirtschaft einführen«.
Auf der Seite der Demokraten sieht es einfacher aus. Zwar gibt der Vorsitzende des Senats-Aussenausschusses Bob Menendez aus New Jersey ebenfalls den Kuba-Hardliner. Aber er wird den Vorsitz in wenigen Wochen abgeben. Die bisher unangefochtene Parteikandidatin Hillary Clinton plädiert seit mehreren Jahren für die Aufhebung der Blockade. In ihrer Autobiographie »Hard Choices« heißt es, sie habe als Außenministerin versucht, Obama vom Unsinn einer fortgesetzten Blockade zu überzeugen.
Siehe auch: Kuba - DVD und Bücher
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