Möbel aus Lampedusa-Wracks

Flüchtlinge arbeiten in einer Werkstatt ihre Geschichte auf - auch ohne Aufenthaltserlaubnis

  • Claudia Kornmeier
  • Lesedauer: 3 Min.
In Berlin gründen Flüchtlinge ein Start-up. Im Internet läuft schon eine Crowdfunding-Kampagne für die Möbelwerkstatt, in der Flüchtlinge aus ihrer Geschichte Stühle bauen.

In der kleinen Möbelwerkstatt in Berlin-Kreuzberg haben vier junge Männer kurz vor Weihnachten noch viel zu tun. Die Schleifmaschinen laufen ununterbrochen, die letzten Aufträge sollen noch vor den Feiertagen fertig werden. In den Regalen stapeln sich helle Holzstühle, mitten im Raum stehen fertige Bänke und das Gerüst eines Bettkastens.

Es könnte eigentlich ein ganz normaler Ausbildungsbetrieb sein. Tatsächlich ist »Cucula« ein Projekt, das mit den Möglichkeiten eines liberalen Ausländerrechts spielt. Die vier Männer stammen aus Afrika, aus Mali und Niger. Sie sind vor etwa zwei Jahren mit einem Flüchtlingsboot in Lampedusa angekommen. Ihre Asylverfahren laufen - Ausgang ungewiss. »Wir wollen eine Utopie schaffen, an die sich die Wirklichkeit anpassen muss«, sagt einer der Projektleiter, Sebastian Däschle. Die Utopie ist die Werkstatt, ein Start-up von und für Flüchtlinge, in dem sie eine Ausbildung machen können. Eigentlich - und das ist die Wirklichkeit - brauchen sie dafür eine Aufenthaltserlaubnis von den Behörden.

Däschle ist Designer und Architekt. Er zeigt den Männern, wie sie nach den Plänen des italienischen Designers Enzo Mari einfache Möbel bauen können. Ihre gemeinsame Sprache sind die Baupläne.

Über eine Crowdfunding-Kampagne auf »Startnext« sammelt das Projekt noch bis Ende des Jahres Geld. Als Dankeschön für Spenden gibt es Möbelstücke. So sollen Ausbildungsstipendien für die Flüchtlinge finanziert werden. Es sieht gut aus bisher. Bis letzten Freitag hatte »Cucula« gut 64 000 Euro beisammen. 70 000 Euro braucht die Gruppe mindestens, bis zum Jahresende läuft die Kampagne noch.

Die Reaktionen auf »Startnext« sind überwiegend positiv. Nur zu teuer sind manchen die Stühle. Bis zu 500 Euro kostet ein Exemplar. Eine günstige Variante gibt es für 160 Euro. »Ihr habt zu wenig und zu teure Produkte im Angebot«, heißt es in einem Kommentar. »Die Idee ist toll, aber 200 Euro für einen Stuhl, der nicht bequem aussieht, scheint mir zu viel.«

Bisher hätten die Behörden nicht bemängelt, dass die Flüchtlinge ohne Arbeitserlaubnis nicht in der Werkstatt arbeiten dürfen, sagt Jessy Medernach. Die 30-Jährige kümmert sich um rechtliche Dinge und begleitet die Flüchtlinge auch bei ihren Asylverfahren. Und Däschle ist zuversichtlich, dass die Männer eine Aufenthaltserlaubnis für die Ausbildung in der Werkstatt bekommen, wenn die Crowdfunding-Kampagne positiv ausgeht.

Die Arbeit in der Werkstatt ist für die Männer die erste Ausbildung. Nur einer von ihnen ist zur Schule gegangen. Gearbeitet haben sie in ihren Heimatländern tageweise, als Koch oder Müllmann, sagt Däschle. »Wir wollen zeigen, dass Deutschland seinen Arbeitsmarkt nicht nur für Fachkräfte öffnen sollte, sondern auch für die, die keine Ausbildung haben.«

Unterdessen schleifen die Männer weiter an den Möbeln aus Kiefernholz. Bei manchen Stühlen gibt es eine Besonderheit: Sie haben eine Lehne oder ein Bein aus einem bunten Stück Holz, das von Schiffswracks aus Lampedusa stammt. Die Werkstatt hat passendes Holz auf einem Schiffsfriedhof in Italien zusammengesucht und sich nach Berlin schicken lassen.

»Malik hat irgendwann gesagt, er müsse einen Stuhl aus seinem Schiff bauen«, sagt Däschle. »Ich selbst hätte das nie gemacht.« Aber die jungen Männer wollen damit ihre Geschichte erzählen, so Däschle. Und die Überfahrt nach Lampedusa ist eine Station davon, die sie wohl ihr Leben lang nicht vergessen werden können. dpa

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