Das blutige Weihnachten der Tiere

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.
Schwere Misshandlungen von Enten in Mastbetrieben, ein dekadentes Essen von Stopfleber im EU-Parlament. Für Millionen Tiere bedeutet das Fest der Liebe nur eines: Erst die Qualzucht und dann den Tod.

Brüssel Parlamentskantinen waren für Veganer noch nie ein Paradies. Viel Tier, wenig Pflanze und noch weniger Moral stehen auf der Speisekarte. Kurz vor den Festtagen gönnten sich einige Abgeordnete des EU-Parlaments nun einen ganz besonderen Bissen, der selbst vielen Fleischessern übel aufstößt: Für gerade einmal rund 20 Euro (Der Rest soll aus Steuergeldern subventioniert worden sein.) spendierten sich die Parlamentarier selbst ein opulentes 3-Gänge-Weihnachtsmenü. Neben Hummer und Fasanenbraten ließen sich die Abgeordneten auch Stopfleber auftischen.

Ein Pakt mit Teufels Küche, wenn man weiß, dass der wissenschaftliche Ausschuss für Tiergesundheit und Tierschutz der EU sämtliche Möglichkeiten der Stopfleberproduktion als grausam einstuft, weshalb die Produktion von Stopfleber in vielen europäischen Staaten, darunter auch in auch Deutschland und Österreich, mit Verweis auf den Tierschutz verboten ist.

In der Tierindustrie gibt es wohl kaum ein brutalere Form der Qualzaufucht. Der Kabarettist Claus von Wagner beschrieb in der letzten Ausgabe von Die Anstalt (ZDF) die Verhältnisse in der Gänse- und Entenmast äußerst anschaulich: Stellen sie sich vor, es würden mittels eines Schlauchs jeden Tag 30 Kilogramm Nudeln in sie hineingepumpt. Da kann einem nicht nur der Lacher im Halse stecken bleiben. Was auf den Menschen bezogen wohl als schwere Folter eingestuft würde, gilt in Frankreich als Delikatesse. Ein blutiger Gaumenkitzel namens Foie Gras, den die Grande Nation eifrig exportiert: Mehr als 90 Prozent der in der EU gehandelten Stopfleber werden in Frankreich verarbeitet und dank des einheitlichen EU-Binnenmarktes landet das Qualfleisch über den Weg von Feinkostläden und Edelrestaurants letztlich auch auf deutschen Tellern. Die Wirtschaft ist der EU eben wichtiger als Tierwohl, auch oder besser gesagt gerade jetzt an Weihnachten.

Das Schlachtfest erlebt in diesen Wochen insbesondere für das Federvieh einen traurigen Höhepunkt. Rund 60 Prozent der in Deutschland getöteten mehr als eine halbe Million Gänse und 25 Millionen Enten sterben im letzten Quartal des Jahres - um als Martinsgans oder Weihnachtsbraten zu enden. Feste der Freude für Millionen Menschen, jedoch nicht für die Tiere. Gepredigte Worte von Gnade, Empathie und Nächstenliebe gelten für diese Wesen nicht, zu sehr lockt dem »stärkeren« Wesen der Gaumenkitzel. Eine Ente hat eine natürliche Lebenserwartung von bis zu 20 Jahren, als »Nutztier« bleiben ihr selten vier Monate, eine Gans würde es unter idealen Bedingungen sogar auf bis zu 40 Jahre schaffen. Ein möglicher gefiederte Freund fürs Leben, aber doch leider in fast allen Fällen nur eine Mahlzeit.

Diese muss vor ihrem Tod noch zu Lebzeiten oft grausames Ertragen, wie neue Recherchen von Animal Equality zeigen. Die Tierrechtsorganisation hat in den letzten Wochen unerkannt einen der größten Entenmastbetriebe in Deutschland mit versteckter Kamera besucht. Der Betrieb, die Neuhardenberger Entenmast GmbH, liefert jedes Jahr etwa eine Million Enten an die Marke Wiesenhof der PHW-Gruppe.

Die Aufnahmen zeigen Situationen, die selbst weit unter Hemmschwelle eingefleischter Omnivoren liegen dürften: Arbeiter erschlagen Enten mit Mistgabeln, spießen diese bei lebendigen Leibe auf und werfen sie anschließend schwer verletzt in den Müll. Einige Befürworter des Fleischkonsums werden diese Bilder wieder als traurigen Einzefall ab tun, doch allein die Regelmäßigkeit neuer Enthüllungen, die eigentlich keine sind, weil wir alle ausnahmslos davon wissen, aber aus moralischen Selbschutz besser wegsehen, dürfte den Systemfehler hinter dem Prinzip (Massen)tierhaltung zeigen. Was viele schlicht leugnen: Der Braten zum Fest der Liebe hatte ein blutiges, ein viel zu kurzes Leben.

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