Nawalny auf dem Weg zu Demo in Moskau festgenommen

Dreieinhalb Jahre Bewährung für Kremlkritiker Nawalny / Bruder muss wegen Geldwäsche dreieinhalb Jahre ins Gefängnis / Proteste gegen Urteil angekündigt

  • Lesedauer: 3 Min.

Update 17.30 Uhr: Nach seiner Verurteilung zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung ist Kremlkritiker Alexej Nawalny trotzt seines Hausarrests zu einer Demonstration seiner Anhänger gefahren. Noch vor seiner Ankunft am Ort der Kundgebung in Moskau nahm die Polizei den Oppositionspolitiker fest, wie russische Medien am Dienstag berichteten. Der unabhängige Fernsehsender Doschd übertrug am Dienstag Bilder von der Festnahme auf offener Straße. »Hausarrest habe ich, aber heute will ich unbedingt bei euch sein, deswegen fahre ich«, schrieb Nawalny zuvor auf Twitter. Nawalny steht wegen Verstößen gegen Bewährungsauflagen unter Arrest. Die Behörden haben den Protest unweit des Kremls nicht genehmigt. Ein Großaufgebot der Polizei war im Einsatz.

Dreieinhalb Jahre Bewährung für Kremlkritiker Nawalny

Moskau. Der Kremlkritiker Alexej Nawalny ist zu dreieinhalb Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden. Ein Gericht in Moskau sprach den russischen Oppositionellen und seinen Bruder Oleg am Dienstag in einem umstrittenen Betrugsprozess schuldig. Die Staatsanwaltschaft hatte zehn Jahre Lagerhaft gefordert. Nawalny weist die Vorwürfe als politisch motiviert zurück. Nach der Urteilsverkündung rief er seine Anhänger zu Protesten gegen die russische Regierung auf.

Während Alexej Nawalny mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, muss sein Bruder Oleg für dreieinhalb Jahre hinter Gitter. Er wurde in Handschellen aus dem Gerichtssaal abgeführt. Sein Bruder verurteilte dies lautstark, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Das sei eine »Schweinerei«, sagte Alexej Nawalny. »Wollt ihr mich damit noch mehr bestrafen?« Gleichzeitig schickte er eine Kampfansage an Russlands Präsident Wladimir Putin: »Dieses Regime hat kein Recht zu existieren, es muss zerstört werden.« Nawalny rief seine Unterstützer auf, sich an den für Dienstag geplanten Protesten zu beteiligen.

Er und sein Bruder sollen den französischen Kosmetikkonzern Yves Rocher um fast 27 Millionen Rubel (laut damaligem Wechselkurs knapp eine halbe Million Euro) betrogen haben, als das Unternehmen ihren Vertriebsdienst benutzte. Der Finanzdirektor der russischen Filiale von Yves Rocher, Christian Melnik, gab allerdings eine Erklärung ab, nach der dem Unternehmen durch die Kooperation mit dem Vertriebsdienst der Brüder Nawalny letztlich kein Schaden entstand. Ursprünglich hatte Yves Rocher jedoch eine Klage gegen Unbekannt eingereicht, weil das Unternehmen davon ausgegangen war, der Transportdienst hätte billiger ausgeführt werden müssen.

Nawalny hat fast das ganze Jahr unter Hausarrest verbracht, wobei er nur mit seinen Anwälten und Angehörigen kommunizieren durfte. Er hatte schon wiederholt mit der Justiz zu tun. So wurde er im Juli 2013 in einem anderen Betrugsprozess zu fünf Jahren Haft verurteilt, doch wurde die Strafe später ausgesetzt. Bei der Wahl des Moskauer Bürgermeisters im September 2013 war der Blogger und Aktivist auf dem zweiten Platz gelandet. Bei seiner Kritik an Putin schreckt der Oppositionspoltiker auch nicht vor einer Zusammenarbeit mit Nationalisten und Neonazis zurück. So trat Nawalny im November 2011 beim jährlichen rechtsradikalen »Russischen Marsch« durch Moskau als Redner auf, in einem Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung wird Nawalny als »radikaler russischer Nationalist« eingestuft.

Das Gericht hatte die Urteilsverkündung kurzfristig um gut zwei Wochen vorgezogen. Nawalnys Umfeld vermutet, dass die Behörden damit eine geplante Demonstration am ursprünglichen Termin Mitte Januar ins Leere laufen lassen wollten.

Vor dem Gerichtsgebäude im Zentrum Moskaus versammelten sich am Dienstag dutzende Anhänger des Oppositionsführers. Die Polizei trieb die Menge auseinander. Mindestens ein Demonstrant wurde festgenommen, wie ein AFP-Reporter berichtete. Für Dienstagabend haben Nawalnys Anhänger eine Kundgebung vor dem Kreml geplant. Hunderte Nutzer unterstützten den Aufruf im sozialen Netzwerk Facebook. Die geplante Demonstration könnte eine der größten gegen Putin seit Ausbruch der Ukraine-Krise im Frühjahr werden. Agenturen/nd

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