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»Prost Rio ...«
Die umstrittene Biografie
Kein Leben passt in ein Buch. Und doch gibt es Biografien (und Romane), die man verschlingt, weil sie einem Leben, an dem man Teil haben möchte, so nahe kommen, dass man es zu berühren meint. Ein solches Buch zu schreiben, bedarf es gieriger Recherchen, dürstender Ausdauer und einer Liebe zum Gegenstand, die sich auf den Leser überträgt. Hollow Skais »inoffizielle« Rio-Reiser-Biografie »Das alles und noch viel mehr« ist so ein Buch leider nicht. Statt Fleisch und Blut liefert der Autor nur Skelett. Statt in Rios Leben einzutauchen und daraus zu schöpfen, ist er nur ein bisschen über die Oberfläche geschippert. Statt den Eindruck zu erwecken, das Buch aus Leidenschaft oder Wissensdurst geschrieben zu haben, nährt er den Verdacht, lediglich auf der Aufmerksamkeitswelle eines zehnten Todestages mitschwimmen zu wollen.
Der Heyne-Verlag aber präsentiert den Musikjournalisten Hollow Skai (alias Holger Poscich) als »intimen Kenner« Reisers und begründet die vermeintliche Authentizität seiner Biografie damit, dass Skai dafür »mit Rios Brüdern, Liebhabern und Freunden, Musikern und Managern« sprach. Ein Teil der Freunde und Familienmitglieder war allerdings so befremdet von der ersten Fassung des Textes, dass er sich in einer öffentlichen Erklärung davon distanzierte und dem Verlag eine 18 Seiten umfassende Liste mit sachlichen Fehlern zukommen ließ. Zur Leipziger Buchmesse im März 2006 spitzte sich die Auseinandersetzung öffentlichkeitswirksam zu. Der Verlag warf Reisers »Erben« zensurähnliche Praktiken vor und veröffentlichte das Buch zunächst nur auf elektronischem Wege. In einer im Internet publizierten Stellungnahme stellte Reisers letzter Gitarrist, Lutz Kerschowski, daraufhin Hollow Skais Recherchen grundsätzlich in Frage. Mit viel zu wenigen Zeitzeugen habe der Autor viel zu kurz gesprochen, um seinem Anspruch als Biograf gerecht zu werden. »Hätte er sein Buch doch bloß "Prost Rio - Erinnerungen eines Journalisten" genannt«, wünscht sich Kerschowski, »dann wäre dagegen gar nichts einzuwenden und wir alle hätten jetzt nicht das Problem, ihn als Biografen ernst nehmen zu müssen.«
Mittlerweile ist das Buch gedruckt, beide Seiten haben sich auf eine akzeptable Fassung geeinigt. Mehr als akzeptabel ist es indes nicht: ein oft hilflos formuliertes, manchmal pseudoakademisches, manchmal bemüht polemisches Arrangement von Fakten, die zumindest für Fans kaum Neuigkeitswert besitzen. Rios alte Platten mal wieder aufzulegen, ist allem...
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