Abschreckung und dichtere Kontrollen
Ab diesem Jahr gelten neue Regeln der Weltantidopingagentur. Es drohen bis zu vier Jahre Sperre
Neues Sportjahr, neuer Dopingkampf. Ab 1. Januar gilt weltweit ein neuer Antidopingcode. Der soll Doping schwerer machen. Wichtigste Änderung ist die Erhöhung der Sperren. Einzelne Spitzensportler wie Radprofi Marcel Kittel und Diskuswerfer Robert Harting hatten schon früher längere Sperren gefordert. »Fünf Jahre Sperre und Geldstrafe an Anti Doping Fonds«, lautete Hartings Vorschlag. Seine Begründung: »Fünf Jahre überbrückt man nicht mit dem Geld, das man in einem Jahr durch Doping verdient hat. Zudem verändert sich der Körper sehr stark, wenn man keine Wettkämpfe bestreitet. Da verliert man Leistungsfähigkeit. Das wäre wirklich eine Abschreckung.«
Hartings Argumente fanden bei der Weltantidopingagentur (WADA) nur bedingt Gehör. Statt auf fünf erhöhte sie die Normalsperre aber immerhin auf vier Jahre, was einen kompletten Olympiazyklus entspricht. Voraussetzung dafür ist aber der Nachweis durch die Antidoping-Agentur, dass der Sportler absichtlich gedopt hat. Bei einer verbotenen Methode, also dem Nachweis durch Veränderungen im Blut- oder Steroidpass des Athleten, liegt es bei Letzterem, die fehlende Absicht zu beweisen. Viel Spielraum für Juristen also, denen sich hier eine lukrative Perspektive bietet. Arbeitet der Ertappte jedoch mit den Antidopingjägern zusammen, kann die Strafe verkürzt werden.
Die Vierjahressperre hatte bei der Vorstellung des ersten Entwurfs des neuen WADA-Codes Ende 2013 viel Widerspruch aus Deutschland hervorgerufen. Sportpolitiker wie die Bundestagsabgeordnete Dagmar Freitag (SPD) zweifelten, ob die vier Jahre rechtlich durchzusetzen sind. Als »falschen Weg und falsches Zeichen« bezeichnete Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletikverbandes, den Vorschlag: »Das ist Augenwischerei: Man sagt, schaut wie strikt wir gegen Doping kämpfen können, weil permanent die Strafen erhöht werden, aber an den Ursachen des Dopings wird nichts verändert.«
An der generellen Bereitschaft vieler Menschen, ihre physischen wie kognitiven Leistungen durch Mittel aus der Apotheke zu erhöhen und an der weiteren Herausbildung einer solchen Mentalität im Leistungssport wird der neue Antidopingcode sicherlich nichts Grundlegendes ändern. Aber die neuen Strafen schrecken stärker ab.
Ab 1. Januar können auch Betreuer belangt werden. Zwei neue Tatbestände wurden ins Gesetz aufgenommen. Punkt 2.9 »Komplizenschaft« regelt, dass Helfer beim Doping ebenfalls bestraft werden können. Und Punkt 2.10, »Verbotene Verbindung«, sanktioniert Athleten und Betreuer, die weiter in professionellem Kontakt mit bereits gesperrten Personen stehen. Zu denken ist hier vor allem an überführte Dopingärzte wie den bekannten Michele Ferrari. Erster deutscher Sportarzt mit Kontaktverbot zu Sportlern könnte ein Ex-Mitarbeiter des Olympiastützpunkts Saarbrücken werden. Die Dopingverhandlung gegen ihn beginnt im Februar.
Eher zwiespältig ist die Veränderung der Regel der »missed tests«. Bereits nach drei vermiedenen Tests binnen zwölf Monaten wird nun eine Sperre verhängt, bisher betrug der Zeitraum 18 Monate. Das klingt konsequent. Doper jedoch, die damit spielen, sich im »Ladezustand« Kontrollen zu entziehen, haben nun wieder schneller einen »Freischuss«. Verpasste Tests, die länger als ein Jahr zurückliegen, zählen nicht mehr.
Größere Effektivität will die WADA weltweit bei den Antidopingkontrollen durchsetzen. Dazu hat sie ein Minimum an Kontrollen auf Epo und Wachstumshormon in einzelnen Disziplinen festgelegt. Sie gehören ihrer Kosten wegen nicht zum Standardtestprogramm. Die Mindestgrenzen sollen nun zu einer besseren Kontrolldichte führen. Gleichzeitig lesen sich die Anforderungen wie eine amtlich erstellte Übersicht zu Risikosportarten: In den Ausdauerdisziplinen der Leichtathletik müssen mindestens 60 Prozent der Tests Epo-Tests und fünf Prozent solche auf Wachstumshormone sein. In den Sprintdisziplinen sinkt der Epo-Anteil auf zehn Prozent, der bei Wachstumshormonen erreicht aber 15 Prozent. Biathlon und Skilanglauf sind in einer ähnlichen Risikogruppe als der Ausdauersport auf der Tartanbahn mit 60 Epo und zehn Prozent Wachstumshormonen. Für den viel geschmähten Straßenradsport gelten die gleichen Kennziffern wie für Biathlon und Skilanglauf (60 Epo, zehn Prozent Wachstumshormon).
Als weitere Maßnahme legte die WADA die Kontrollhoheit in die Hände der nationalen Antidopingagenturen. Nicht mehr die Verbände, sondern die Kontrollfachleute führen die Kontrollen durch. Als »Fuchs im Hühnerstall«-Verhalten hatte der erfolgreiche US-Dopingjäger Travis Tygart die bislang auch in Deutschland weit verbreitete Praxis kritisiert, dass die Verbände die eigenen Sportler kontrollieren. Die Nationale Anti-Doping Agentur Deutschland (NADA) hat für den gestiegenen Kontrollaufwand vom Bundestag auch eine Erhöhung des Zuschusses bewilligt bekommen. Verzögerungen in der Übernahme der Kontrollen räumte NADA-Vorstand Andrea Gotzmann dennoch ein. Die Kontrollen in der Fußballbundesliga wird die NADA etwa erst nach der Sommerpause übernehmen können.
Im Bereich der verbotenen Substanzen gab es eine interessante Änderung. Das Metall Cobalt wird wegen seines Einflusses auf die Stimulierung zur Bildung roter Blutkörperchen verboten. Cobalt rückte im Zuge der Entdeckung des Versuchs eines russischen Forschungszentrums, Xenongas zur Stimulierung der Produktion der Blutkörperchen einzusetzen, in das Bewusstsein von Dopern und Dopingjägern. Es hat eine ähnliche Wirkung wie Xenon, das damals schnell auf die Verbotsliste gesetzt wurde. Nachdem Cobalt im letzten Jahr mehrfach bei Pferdetrainern beschlagnahmt worden war, wurde auch dies verboten. Was noch fehlt, ist Kupfer. Dem Metall werden ähnliche Eigenschaften nachgesagt.
Von seinen Bestimmungen her ist das Kontrollnetzwerk jetzt also wieder dichter geworden. Erhöht wurde auch die Verjährungsfrist von acht auf zehn Jahre. Damit stehen alte Proben zwei Jahre länger den zukünftigen technisch verbesserten Kontrollverfahren zur Verfügung. Die Wirksamkeit all dieser Maßnahmen lässt sich an einer einzigen Kennziffer gut ablesen. Für 2013 (für 2014 liegen noch keine Zahlen vor) gab die WADA weltweit 207 513 Kontrollen an und stieß in 1,31 Prozent der Fälle auf Dopingsubstanzen. Das wären rein rechnerisch 2718 Personen. Das entspricht in etwa der Anzahl der Teilnehmer an den Olympischen Winterspielen in Sotschi. Sie lag bei 2800 Sportlern. Pro Jahr also gibt es ein ganzes Olympiafest nur aus erwischten Dopern. Soviel zur Relevanz des Problems.
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