Grüße aus dem Pförtnerkabuff

  • Andreas Gläser
  • Lesedauer: 3 Min.

Jawoll, ich bin Arbeiter und Autor, was soviel heißt wie, dass ich seit knapp einem Jahr den Traumjob eines mäßig erfolgreichen Autors ausübe, eine, wie ich oft hörte, traditionelle Tätigkeit vieler Schreiberlinge aus DDR-Tagen: Ich bin nämlich ein Sicherheitsmännlein im Empfangsbereich eines öffentlichen Gebäudes, volkstümlich auch Pförtner genannt.

Das ist in Ordnung. Die Studenten, Dozenten und Obdachlosen spazieren überwiegend zu bestimmten Zeiten herein oder hinaus. Ihre kurzen Pausen sind meine ebenso langen Stoßzeiten; ihre Schwitzschichten sind meine Entspannungsphasen.

In meinem Pförtnerkabuff finde ich zwar nicht die Zeit, Bücher zu lesen und Romane zu schreiben, doch ich komme endlich dazu, einen Teil der immer noch postfrischen Magazine zu lesen und zu entsorgen, die ich vor über 20 Jahren zu sammeln begonnen hatte, als gäbe es nach dem Millennium keine neuen Druckerzeugnisse. Wundersame Magazine wie »NMI & Messitsch«, »Zillo«, »Warschauer«, »Ox« und »Plastik Bomb«. Meilensteine der Musikindustrie, die ich nach der Lektüre im Foyer in den Aufsteller mit den einschläfernden Broschüren über Wissenschaft und Technik einsortierte. Gespannt verfolgte ich, wer sich welches Magazin krallte. Zu meiner Überraschung interessierten sich die Studenten eher für meine zehn Jahre alten »11 Freunde«-Ausgaben.

Auf Arbeit habe ich meine nd-Kolumnen mit Kugelschreiber zu Papier gebracht, so dass mein Stundenlohn in Ordnung ist. Als Pförtner soll ich immer schreiben, wünscht sich der Objektleiter, denn das sieht geschäftig aus. Dienstprotokolle, Fundmeldungen, Gesprächsnotizen. Deshalb tätige ich dort auch einen Teil der Kommunikation innerhalb meines Künstlerkosmos.

Als es im Frühjahr zu meiner Dreifachveröffentlichung namens »Knuts Opa war Nazi« kam, als Langspielplatte, Kassette und Geschichtenheftchen, landete ich leider keinen Skandal; doch zu meiner Überraschung rotierten die Knut-Reklame und mein Konterfei, welches diese Kolumne schmückt, für eine Woche im »Berliner Fenster«, also im U-Bahn-Fernsehen. Zwei, drei nette Dozentinnen sahen nun einen Schriftsteller in mir und verbaten sich selbst, mich zu stören, selbst wenn ich nur eine banale Notiz zu Protokoll brachte; etwa: 6 Uhr, Dienstbeginn. »Oh, unser Schriftsteller!« - »Guten Morgen, Frau Schmidt! Zu Ihrer Beruhigung fahre ich für einige Tage in die Schweiz.« - »Toll, wir sind stolz auf unseren Pförtner!«

Jawoll, 2014 war ein gutes Jahr, vor allem das Knut’sche Veröffentlichungsschubidu und die Lesungen in der Schweiz. Wenn ich in Berlin keine Mini-Familie hätte, hätte ich in Winterthur gleich alles, außer eine Mini-Familie. Immerhin einigte ich mich mit meinen dortigen Blutsbrüdern darauf, dass ich in der Nähe ihrer Schützenwiese eine Unterkunft beziehe, falls Deutschland und Russland sich bekriegen.

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