Zersplitterung könnte Tsipras helfen

Griechenlands Linkspartei SYRIZA würde von PASOK-Spaltung und vielen Stimmen für kleine Parteien profitieren

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Parlament ist aufgelöst und der Wahlkampf voll entbrannt. Der konservative Noch-Premier Samaras sieht die Zukunft Griechenlands in Europa in Gefahr. SYRIZA-Chef Tsipras kritisiert dies als Panikmache.

Es ist angerichtet: Am Mittwoch wurde das bisherige Parlament in Griechenland aufgelöst und der 25. Januar als Wahltermin bestätigt. Angesichts der anstehenden Neuwahlen in Griechenland sieht Präsident Karolos Papoulias sein Land vor »ungewissen« Zeiten. In seiner Neujahrsansprache forderte der Staatschef ein »neues Gleichgewicht« mit den internationalen Gläubigern, die die Neuwahlen mit Sorge sehen.

Optimistischer blickt Alexis Tsipras in die Zukunft: Das Volk, die Demokratie, das Vaterland und die Wahrheit hätten eine Schlacht gewonnen. Dies waren die ersten Worte der Rede des Vorsitzenden der Linkspartei SYRIZA nach der gescheiterten Präsidentenwahl am Montagabend. Nur wenige Stunden nach dem Debakel für den einzigen Kandidaten Stavros Dimas und für die konservativ-sozialdemokratische Regierung Griechenlands und dem damit verbundenen Zwang zu parlamentarischen Neuwahlen, hielt der voraussichtlich Sieger derselben seine erste Wahlkampfveranstaltung ab.

Wer radikale linke Töne und die Versprechen auf sofortige Aufkündigung der Gläubigervereinbarungen erwartet hatte, wurde allerdings enttäuscht. Der 40-jährige Politiker beschränkte sich auf die Ankündigung, das Volk werde nun endlich »die Wahrheit« über all die Vorgänge und Kulissenschiebereien erfahren, die Griechenland erst in seine prekäre finanzielle Lage gebracht hätten. Um diese zu überwinden, kündigte Tsipras der inländischen Korruption und Vetternwirtschaft den Kampf an.

Der Noch-Oppositionsführer zeigte sich zuversichtlich, das Land in Euro und EU halten zu können. Immerhin hätten sich auch Frankreich und Italien bereits erfolgreich gegen Austeritätsmaßnahmen und überzogene Sparvorschriften gewehrt. Auch an anderer Stelle machte Tsipras klar, dass es ihm um Verhandlungen mit den Gläubigern und nicht um einseitige Aufkündigungen von Verträgen geht. So beispielsweise in seiner Ankündigung, seine Regierung werde »in Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank und den europäischen Partnern«, die Spareinlagen der griechischen Bürger bei den heimischen Banken garantieren.

Den aktuellsten Umfragen zufolge liegt SYRIZA etwa drei Prozentpunkte vor der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia des Ministerpräsidenten Antonis Samaras. Ob es für eine Alleinregierung der Linkspartei reichen wird, hängt aber nicht nur von den 50 Bonussitzen ab, die die stärkste Partei in dem 300-köpfigen Parlament automatisch erhält. Eine Schlüsselrolle kommt den Parteien zu, die unter der Drei-Prozent-Hürde bleiben. Je höher der Prozentsatz auf die an der Hürde scheiternden Parteien entfällt, desto weniger Stimmen braucht Tsipras, um allein regieren zu können. Bei den aktuellen Umfragen bewegt sich der Prozentsatz für SYRIZA um 35 Prozent. Für eine Ein-Parteien-Regierung wären damit etwa zwölf Prozent Stimmen für nicht im Parlament vertretene Parteien nötig.

Vor diesem Hintergrund bekommt die Möglichkeit einer Spaltung der sozialdemokratischen Partei PASOK noch vor den Wahlen eine besondere Bedeutung. Die einstige Volkspartei ist auf einen Schatten ihrer selbst zusammengeschrumpft und bekommt in den Umfragen nur noch Werte um die 5 Prozent. Der radikale Abwärtskurs der Partei hat zum unwiderruflichen Zerwürfnis des ehemaligen Parteivorsitzende Giorgos Papandreou mit dem derzeitigen Parteichef Evangelos Venizelos geführt. Nun droht der Sohn des PASOK-Gründers Andreas Papandreou damit, eine eigene Partei aus der Taufe zu heben. Noch wird Giorgos Papandreou selbst von engsten Anhängern beschworen, davon abzusehen. Sollte er aber tatsächlich PASOK verlassen, würden sich ihm wahrscheinlich eine Reihe weiterer Funktionäre - und vor allem Wähler - anschließen. Was im Ergebnis dazu führen könnte, dass weder die PASOK von Venizelos noch ihr neuer Ableger von Papandreou im nächsten Parlament vertreten sind.

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