Nach Anschlag in Paris: CSU fordert Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung
LINKE-Chef Riexinger warnt vor Instrumentalisierung des Anschlags von Paris / Islamverbände in Europa verurteilen terroristische Anschläge
Update 20.25 Uhr: Der Verleger und »Die Partei«-Funktionär Jens Bolm hat Strafanzeige gegen die CDU-Bundestagesabgeordnete Erika Steinbach gestellt, berichtet der Tagesspiegel. Die ehemalige Vertriebenenfunktionärin hatte in einen Twitter-Tweet zum Anschlag auf »Charlie Hebdo« wenig Empathie gezeigt, nicht nur das Smiley am Ende es Tweets stieß mehr als einem Twitter-Nutzer unangehm auf:
»Frankreich ruft höchste Terrorwarnstufe aus http://www.tagesspiegel.de/11196110.html via @tagesspiegel«Nur kath. Kirche kritisieren,sonst lebensgefährlich;-)
Jens Bolm bestätigte später gegenüber dem Tagesspiege seinen Tweet, in dem er seine Anzeige öffentlich machte:
@fozzybear77 @sternde @SteinbachErika @CDU @RegSprecher Soeben online bei Polizei Berlin Anzeige wg. Verunglimpfung Verstorbener gestellt»
Update 16.45 Uhr: Nach dem Terroranschlag in Paris fordert die CSU die rasche Rückkehr zur Vorratsdatenspeicherung, mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden und eine Verschärfung des Strafgesetzbuches. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) müsse dafür sorgen, dass die Behörden auf die Kommunikationsdaten von Terroristen zugreifen könnten, erklärten die Innen- und Rechtsexperten der CSU-Bundestagsgruppe am Donnerstag am Rande der CSU-Winterklausur im oberbayerischen Wildbad Kreuth. Die Vorratsdatenspeicherung sei ein unerlässliches Ermittlungsinstrument, um Anschläge wie am Mittwoch in Paris effektiv verhindern zu können. Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt nannte die Forderung nun «dringender denn je». CSU-Chef Horst Seehofer lehnte am Donnerstag jegliche Stellungnahme ab.
Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber, warnte zwar vor Schnellschüssen. Er nannte es aber notwendig, das Thema nun wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Wenn man die Bürger in der heutigen Welt schützen wolle, müsse man auf Kommunikationsdaten zugreifen können - «unter Berücksichtigung hoher Datenschutzstandards», betonte Weber.
Update 16.40 Uhr: Aus Anlass des Terroranschlags in Paris hat Innenminister Lorenz Caffier für den 08. bis 10. Januar 2015 Trauerbeflaggung für die Staatskanzlei und die Ministerien, die sonstigen öffentlichen Dienstgebäude der Landes- und Kommunalverwaltungen sowie sonstige Träger öffentlicher Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern angeordnet. «Die Trauerbeflaggung soll ein Zeichen der öffentlichen Anteilnahme am Schicksal der Opfer und Hinterbliebenen des Terroranschlages sein», so der Minister.
Update 16.10 Uhr: Wer Muslime und die übrige Bevölkerung auseinanderdividiert, betreibt nach Ansicht von Grünen-Parteichef Cem Özdemir das Geschäft der Terroristen. Özdemir sagte der dpa, die Mörder der Mitarbeiter des französischen Satiremagazins «Charlie Hebdo» wollten mit diesem Massaker nicht nur Journalisten und Karikaturisten einschüchtern. Sie wollten auch «einen Keil in unsere Gesellschaften treiben».
Özdemir erklärte: «Niemand muss eine bestimmte Karikatur oder einen Artikel mögen, aber in einer Demokratie muss man es in Gottes Namen aushalten.» In Deutschland sei die Situation zwar nicht so angespannt wie in Frankreich. Das zeige sich schon in der Stärke der französischen Rechts-Partei Front National. Mit der Protestbewegung Pegida und der Alternative für Deutschland (AfD) versuchten aber auch hierzulande populistische Kräfte Stimmung zu machen.
Update 15.45 Uhr: Brandenburger Politiker haben der Alternative für Deutschland (AfD) vorgeworfen, den Terror-Akt in Paris für ihre politische Zwecke zu missbrauchen. Stimmungsmache gegen Flüchtlinge sei falsch und gefährlich für den sozialen Frieden, erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Ingo Senftleben am Donnerstag in Potsdam: «Herr Gauland ist eine Blamage für das Brandenburger Parlament.» Der AfD-Landesvorsitzende Alexander Gauland hatte den Anschlag als Rechtfertigung für die Anti-Islam-Bewegung Pegida interpretiert und erklärt: «Vor diesem Hintergrund erhalten die Forderungen von Pegida besondere Aktualität und Gewicht.»
«Alexander Gauland missbraucht den schrecklichen Anschlag in Paris, um gegen die Muslime in Europa zu hetzen», sagte SPD-Generalsekretärin Klara Geywitz. «Das ist niederträchtig und verantwortungslos.» Auch der Grünen-Landesvorsitzende Clemens Rostock äußerte scharfe Kritik: «Die AfD nutzt den Anschlag für ihre Zwecke aus und heizt die Stimmung weiter an.»
Update 14.40 Uhr: Der Vorsitzender der Linkspartei Bernd Riexinger hat davor gewarnt, den Terroranschlag auf die französische anti-islamische Ängste zu schüren. «Hass hilft uns nicht weiter, weder von der einen noch von der anderen Seite», sagte Riexinger im Interview mit «neues deutschland». Der Anschlag von Paris sei furchtbar und entsetzlich. Die Menschen in Frankreich und Europa müssten nun «in ihrer Trauer zusammen stehen - und in ihrer Verantwortung für ein friedliches Miteinander», so der LINKE-Politiker. In dem Gespräch äußert sich Riexinger auch zur Debatte über einen Schuldenschnitt für Griechenland. Das vollständige Interview lesen Sie in der Freitagausgabe des «nd”.
Update 14.25 Uhr: In Frankreich warnten Vertreter aller Religionen davor, jetzt Islam und Terrorismus gleichzusetzen. »Nach diesem Drama mit nationaler Tragweite sind wir stärker und vereinter als jemals zuvor und entschlossen, uns für die nationale Einheit und die Werte der Republik einzusetzen«, schrieben Vertreter von katholischer, evangelischer und orthodoxer Kirchen, des jüdischen Konsistoriums, des Conseil français du culte musulman (CFCM) und der Buddhisten in einer gemeinsamen Erklärung.
Die wichtigsten Vertretungen des Islams in Frankreich, der CFCM und die UOIF, riefen die Imame dazu auf, in ihren Freitagsgebeten Gewalt und Terrorismus zu verurteilen. Sie sprachen sich auch für eine »massive Beteiligung« der Muslime an der geplanten Protestdemonstration am Sonntag in Paris aus, die von linken Parteien und Anti-Rassismus Verbänden organisiert wird. Bereits am Mittwochabend hatte Staatspräsident Hollande die Vertreter der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirchen sowie den Großrabbi von Frankreich und den Rektor der Pariser Moschee im Elysée-Palast empfangen. Sie verurteilten die Tat, »die von keiner Religion gerechtfertigt werden kann«.
Update 12.15 Uhr: Der DGB Berlin-Brandenburg und der Türkische Bund Berlin (TBB) haben angesichts des Terrorangriffs in Paris Rechtspopulisten vor einem Anheizen von Ressentiments gegen Flüchtlinge gewarnt. »Fanatische Islamisten haben mit dem Islam genau so wenig gemeinsam wie Pegida mit einer Toleranzbewegung«, erklärten Doro Zinke, Sprecherin des DGB Berlin, und Ayse Demir, Sprecherin des TBB, am Donnerstag.
Rechtspopulistische Bewegungen wie AfD und Pegida sollten das Massaker in Paris nicht dazu nutzen, »Wasser auf ihre Mühlen zu lenken und Ressentiments gegen Flüchtlinge und Migranten zu schüren«. Der Anschlag von Paris missbrauche die Religion als Deckmäntelchen, kritisierten Zinke und Demir. Bei dem Attentat auf das religionskritische Satiremagazins »Charlie Hebdo« waren am Mittwoch zwölf Menschen getötet und elf weitere verletzt worden.
Deutschland sei ein Einwanderungsland und ökonomisch wie politisch in der Lage, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Deshalb müsse die europäische Flüchtlingspolitik auf den Prüfstand, forderten DGB und TBB. »Notwendig ist eine gerechtere internationale Politik gegen Hunger und Krieg und notwendig ist eine solidarische, humanitäre Asylpolitik in Deutschland und der EU.«
Update 9:30 Uhr: SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hat die Äußerungen des AfD-Politikers Alexander Gauland zum Terroranschlag in Paris scharf kritisiert. »Was Herr Gauland da macht, ist eine ganz üble Demagogie«, sagte er am Donnerstag im ZDF-»Morgenmagazin«. Der stellvertretende Bundesvorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD) hatte die Attacke auf das Magazin »Charlie Hebdo« als Rechtfertigung für die Anti-Islam-Bewegung Pegida interpretiert.
Oppermann sagte, Gauland vermische die Einwanderung friedlicher Muslime mit den Taten von Killern, die mit dem Islam nichts zu tun hätten - das sei demagogisch. »Und das führt dazu, dass er Menschen aufhetzt, dass er diese Gesellschaft spaltet und dass er im Grunde genommen den Terroristen in Paris genau auf den Leim geht«, sagte Oppermann.
AfD und Pegida instrumentalisieren Anschlag
Teile der Rechtspartei AfD und die islamfeindliche Bewegung Pegida haben den Anschlag auf die Redaktion der französischen Satirezeitung »Charlie Hebdo« in Paris zur Rechtfertigung für ihre politischen Aktivitäten erklärt. Die selbst ernannten »Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« erklärten, man könne sich nun in seinen Befürchtungen bestätigt sehen.
»Die Islamisten, vor denen Pegida seit nunmehr zwölf Wochen warnt, haben heute in Frankreich gezeigt, dass sie eben nicht demokratiefähig sind, sondern auf Gewalt und Tod als Lösung setzen!«, hieß es auf der Facebook-Seite der Bewegung. »Unsere Politiker wollen uns aber das Gegenteil glauben machen. Muss eine solche Tragödie etwa erst in Deutschland passieren?«
Drei Stunden später erschien eine weitere Erklärung von Pegida, in der diese dann erklärte, auch wenn das Attentat von Paris wie »Wasser auf unsere Mühlen zu sein scheint, nehmen wir dies nicht zum Anlass, uns damit zu brüsten, wir hätten es ja schon immer gewusst«. Man werde am kommenden Montag in Dresden schweigend und mit Trauerflor erneut aufmarschieren.
Auch der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland interpretiert den Anschlag als Rechtfertigung für Pegida. »All diejenigen, die bisher die Sorgen der Menschen vor einer drohenden Gefahr durch Islamismus ignoriert oder verlacht haben, werden durch diese Bluttat Lügen gestraft.« Vor dem Hintergrund des Anschlags »erhalten die Forderungen von Pegida besondere Aktualität und Gewicht«, so Gauland. Die anderen Parteien sollten sich deshalb gut überlegen, ob sie bei ihrer Haltung, »die Menschen von Pegida weiter zu diffamieren«, bleiben wollten.
Gaulands Vorstandskollege Hans-Olaf Henkel warnte indes bei »Focus online« davor, den Anschlag zu missbrauchen und damit die »Stimmung gegen Ausländer anzuheizen«. Am Donnerstagmorgen veröffentlichte der Europaabgeordnete dann eine Presseerklärung, in der er »eine ehrliche Diskussion über die Auswüchse des Islam« forderte. Diese werde »nur in Deutschland mit einem Tabu belegt«, behauptete Henkel. »Es ist dann auch kein Wunder, dass viele unserer Mitbürger diffuse Ängste vor dem Islam hätten, ohne diese wirklich begründen zu können«, so der Politiker. Dabei gäbe es genug Gründe, Kritik an den Auswüchsen des Islam zu üben, heißt es in der Pressemitteilung weiter.
Ihm sei aufgefallen, »dass sich Menschenrechtsverletzungen besonders in islamischen Ländern häufen«. Anstatt auch hierzulande vorkommende Menschenrechtsverletzungen etwa gegenüber Frauen »zu benennen und zu bekämpfen, würden diese allzu oft unter dem Deckmantel der Toleranz gegenüber Ausländern tabuisiert« Henkel stellte sich zugleich gegen die Pegida-Aufforderung, kommenden Montag schweigend durch Dresden zu marschieren. »Anstatt schweigend gegen die vermeintliche Islamisierung des Abendlandes zu protestieren, sollten wir über die massiven Menschenrechtsverletzungen im Namen des Islam diskutieren und gegen diese Widerstand leisten«, so Henkel.
Vor dem Anschlag von Paris hatte die als Feministin bezeichnete Publizistin Alice Schwarzer Verständnis für Pegida geäußert hatte. Zu den islamfeindlichen Aufmärschen sagte sie, »der Protest ist auch das berechtigte Unbehagen an dieser neuen Form des Faschismus.« SPD-Bundesvize Ralf Stegner sagte dem »Handelsblatt«, die Äußerung zeige, »wie wenig sie noch mit fortschrittlichen Positionen am Hut hat«. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.