Teuer statt Thälmann

Auf altem Gelände der Gedenkstätte Ziegenhals entstehen Doppelhäuser und Appartments

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Wohneigentum am historischen Standort des Sporthauses Ziegenhals wird für insgesamt 3,8 Millionen Euro angeboten, zwei bereits reservierte Quartiere nicht mitgerechnet.

Die Baustelle ist derzeit verlassen. Weder im Wohnwagen und in den Baucontainern noch auf den Gerüsten ist ein Arbeiter zu sehen. Offenbar erzwang der Winter eine Pause. Doch im Prinzip entstehen an der Seestraße 27 in Ziegenhals (Dahme-Spreewald) vier Doppelhäuser und ein Gebäude mit Appartments.

Die Goldschwarz Immobilien GmbH bietet acht Haushälften und zwei Wohnungen zum Verkauf an. Bei Vertragsabschluss werde eine Provision fällig, heißt es. Zwischen 330 108 und 537 270 Euro sollen die einzelnen Quartiere kosten, sind also keineswegs billig. Aber preiswerte Eigenheime - auch noch mit Fußbodenheizung und anderen Annehmlichkeiten - sind in dieser Gegend im Berliner Speckgürtel fast überhaupt nicht zu finden, zumal in so herrlicher Lage, mit Blick aufs Wasser und viel Wald in der Nähe. Zwei Eigentumswohnungen sind bereits reserviert. Voraussichtlich bezugsfertig sollen die Häuser in spätestens anderthalb Jahren sein, vermutlich aber schon in einem Jahr. Ein Vor-Ort-Termin für Interessenten wäre umgehend möglich, ergab eine Nachfrage. An allen Rohbauten fehlen noch Fenster und Türen. Ein Dach ist eingedeckt, bei einem Haus ist immerhin schon den Dachstuhl gezimmert. Von zwei weiteren Häusern stehen nur die Wände und von einem gibt es bisher lediglich das Fundament.

Projektionen zeigen aber ungefähr, wie es einmal aussehen soll: durchaus schicke Häuschen, stilvoll und modern eingerichtet, mit Luxusautos davor und hinten raus an der Terrasse glückliche Eltern und Kinder. Die Nachbarn sind ausgeblendet, so dass die begrünten Freiflächen etwas großzügiger wirken, als sie tatsächlich sind. Doch zweifellos handelt es sich um ein attraktives Seegrundstück.

Das ist die Zukunft. Die Spuren der Vergangenheit scheinen komplett ausgelöscht. Der Gedenkstein auf der anderen Straßenseite ist in der gewählten Blickrichtung nicht zu sehen. Nur dieser Gedenkstein erinnert heute noch daran, was sich am 7. Januar 1933 im alten Sporthaus Ziegenhals ereignete. Hier hielt der im März 1933 verhaftete und 1944 im KZ Buchenwald ermordete KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann seine letzte bekannte Rede - vor Mitgliedern des Zentralkomitees und weiteren Parteifunktionären. Es war ein bedeutender Moment für die schon illegal operierende KPD und den antifaschistischen Widerstandskampf.

In den 1950er Jahren wurde die Thälmann-Gedenkstätte um den originalen Tagungsraum herumgebaut. Sie blieb stehen bis 2010. Dann ließ der private Eigentümer die Gedenkstätte abreißen. Dieser Skandal hatte eine lange Vorgeschichte. 2002 ersteigerte Gerd Gröger, damals ein hochrangiger Beamter im brandenburgischen Bauministerium, das Gelände an der Seestraße für 86 000 Euro von der Treuhandfirma TLG. So günstig bekam er es nur, weil der Zuschlag unter der Bedingung erfolgte, die Gedenkstätte zu erhalten. Eine zum 1. August 2004 in Kraft getretene Gesetzesänderung erlaubte ihm aber dann den Abriss und vervielfachte damit den Wert des 4648 Quadratmeter großen Grundstücks. In Anbetracht dessen hatte Gröger nun plötzlich ein Schnäppchen gemacht. Nach schier endlosem Hickhack und einigen Gerichtsverfahren um die Abrissgenehmigung, das Inventar oder die Nennung von Grögers Namen in Zeitungen geschieht nun das, was schon lange erwartet wurde: der geschichtsträchtige Boden wird verwertet.

Vorausgegangen ist nach Angaben des Freundeskreises der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte der Verkauf des Geländes an eine Immobilienfirma und der Weiterverkauf an die jetzige, die die Baumaßnahmen im Sommer 2014 eingeleitet habe. »Ohne unseren Widerstand hätte Gröger vor Jahren bereits das große Geld machen können und Ziegenhals hätte sich eingereiht in die vergessenen, zerstörten Gedenkstätten und -orte«, hält der Freundeskreis in einer Mitteilung fest. Er ruft auf: »Lasst uns weiter darum ringen, allen denen die Suppe zu versalzen, die auf den Trümmern einer antifaschistischen Gedenkstätte Geld machen wollen!«

Am 8. Februar um 11.30 Uhr gibt es die gewohnte Kundgebung zum Jahrestag des Treffens am 7. Februar 1933, das einige Historiker als ZK-Tagung, andere als Funktionärskonferenz klassifiziert haben. Gerettetes Inventar der Gedenkstätte und andere Exponate sollen künftig in der Jonasstraße in Berlin-Neukölln gezeigt werden. Die Arbeit an der Ausstellung werde bald abgeschlossen, meldet der Freundeskreis.

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