Das Pegida-Paradoxon
Weniger Teilnehmer, mehr Nazis, mehr Aggression auf den Veranstaltungen der Rechten in Nordrhein-Westfalen
Sie trugen laut Polizeibericht »zum Teil Baseballschläger, Mundschutz und mit Quarzsand gefüllte Handschuhe bei sich«, also Waffen für den Nahkampf. Gemeint sind jene 30 Hooligans, die am Sonntag von der Polizei in der Essener Innenstadt festgehalten und zur Polizeiwache gebracht wurden. Die Demonstration »Hooligans gegen Salafisten«, zu der die potenziellen Gewalttäter offenbar wollten, war im Vorfeld verboten worden, dann machte der Anmelder einen Rückzieher.
Dennoch blieb die Polizei in Bereitschaft - und tausende Menschen demonstrierten gegen Hogesa. Wie in vielen Städten Nordrhein-Westfalens macht auch in der einstigen Krupp-Stadt ein breites Bündnis von Anti-Nazi-Initiativen, Parteien, Kirchen und Sportvereinen gegen die angeblich wider Islamismus Aufmarschierenden mobil. Und wie an Rhein und Ruhr üblich sind die Demokratinnen und Demokraten deutlich in der Überzahl.
Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit: Egal, ob die Aufmärsche unter dem Label »Hogesa« laufen wie in Essen, Dügida heißen wie in Düsseldorf oder Kögesa in Köln: Hier sind allenfalls ein paar unorganisierte Bürger mit dezenten bis schweren rassistischen Neigungen unterwegs. Deutlich überwiegen die stiefelfaschistische Szene plus rechte Hooligans und allenfalls noch die extremen Rechtspopulisten der »Pro«-Partei. Entsprechend arm an Teilnehmern, aber reich an Aggressivität sind diese Aufmärsche, gerade im Vergleich mit ihren ostdeutschen Vorbildern in Dresden und Leipzig. Für einen Nazi-Aufmarsch hingegen sind sie recht ordentlich besucht. Das ist wohl der Grund, weswegen die Macherinnen und Macher nicht aufgeben.
Für »Dügida« und »Kögida« typisch sind Menschen wie die stiefelfaschistischen Kader Paul Breuer, Köln, oder Michael Brück aus Dortmund. Wie der NPD-Landeschef Claus Cremer aus Bochum. Und wie die Düsseldorferin Melanie Dittmer, die nach allzu bräunlichen Statements auf der Kölner Kögida-Demonstration am 4. Januar von ihrem Führungsposten bei Pegida in NRW entbunden wurde.
Seitdem ist die Islamhasserbewegung im einwohnerstärksten Bundesland gespalten. Die Teilnehmerzahlen sinken weiter. In Köln demonstrierten am 4. Januar über 10 000 Pegida-Gegner gegen 350, in Düsseldorf eine Woche später rund 6000 Menschen gegen 250 selbst ernannte Abendlandretter von Ultrarechts. In Köln bringt der Kögida-Rest ohne Dittmer und Co nunmehr noch 100 Menschen auf die Straße.
Die Pegida-Bewegung war nach der Kölner Demoniederlage nach Düsseldorf abgewandert. Und zieht, nachdem sie auch in der NRW-Landeshauptstadt kein Land gewinnen konnte, eine Stadt weiter. Am Montag nun will »Dugida« sein Glück in Duisburg versuchen.
In Duisburg toben Konflikte um den Zuzug tausender Roma und um Flüchtlingswohnheime. Die hiesige Hooligan-Szene gilt als militant. Duisburg ist für Stiefelnazis aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland noch gut erreichbar. Und die Stadt ist nach dem Loveparade-Unglück 2010 von behördlicher Seite immer noch ein Stück weit paralysiert. Angemeldet sind jedenfalls drei Gegendemonstrationen von Gewerkschaften, Linksradikalen und dem Duisburger »Netzwerk gegen rechts«. Läuft alles nach Plan, werden 1300 Demokraten gegen 500 Rechte demonstrieren. Das wäre Substandard für nordrhein-westfälische Verhältnisse.
Derweil, so scheint es, werden zumindest die Dortmunder Nazis, die bei keinem Aufmarsch fehlen, immer frecher. In Düsseldorf empfingen einige den ehemaligen Dortmunder und heutigen Düsseldorfer Polizeipräsidenten Norbert Wesseler mit den höhnischen Worten »Ey, Norbert, was machst du denn hier?«, als der die Dügida-Demo in Augenschein nahm. Die Situation wirkte auf Beobachter durchaus bedrohlich. Wesseler hatte in Dortmund teilweise mit der Naziszene und einigen Sympathisanten im Polizeipräsidium aufgeräumt. Dann wurde er zur Belohnung nach Düsseldorf versetzt. Sein Nachfolger Gregor Lange ist offensichtlich überfordert mit der Situation in der braunen Hochburg des Westens.
Kurz vor Weihnachten liefen 60 Dortmunder Kameraden mal wieder durch die Straßen, diesmal zwecks Einschüchterung von zwei Politikern und einem Journalisten. Und sie verhöhnten diverse Opfer von Nazigewalt, darunter Anne Frank, den vor ein paar Jahren von einem Nazi-Skinhead erstochenen Punk »Schmuddel« und auch den wahrscheinlich vom NSU ermordeten Kiosk-Besitzer Mehmet Kubaşık.
Dann ertönten die von Hogesa-Demos bekannten und zur Einschüchterung benutzten »Ahu«-Rufe. Die Polizei schritt nicht ein. Und löste stattdessen eine Gegendemonstration auf. Wegen, so Polizeipräsident Lange, »grober Störung von nicht verbotenen Versammlungen«, also des Nazi-Aufmarsches.
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