Die Rückkehr des Humors

Andreas Koristka über seinen Beitrag zur Demokratie und den unerschrockenen Kampf der Satirezeitung »Bild«

  • Lesedauer: 3 Min.
Vor noch nicht allzu langer Zeit schämte ich mich, wenn neue Bekanntschaften nach meinem Beruf fragten. Heute ist das anders. Werde ich nun gefragt, antworte ich voller Stolz: »Ich mache irgendwas mit Satire« und ernte bewundernde Blicke.

Vor noch nicht allzu langer Zeit schämte ich mich, wenn neue Bekanntschaften nach meinem Beruf fragten. Ich senkte den Blick und stammelte irgendetwas zusammen, das mein Gegenüber ratlos zurückließ. Manchmal log ich auch ganz einfach in meiner Pein: Jauchekutscher, Abdecker oder Besitzer einer Modelagentur - alles klang besser als mein richtiger Job. Heute ist das anders. Werde ich nun gefragt, antworte ich voller Stolz: »Ich mache irgendwas mit Satire« und ernte bewundernde Blicke.

In den letzten Tagen lernte ich aus der Presse, wie unfassbar wichtig meine Tätigkeit ist. Früher war ich von ihrer absoluten Wirkungslosigkeit überzeugt. Dabei ist jeder meiner Pupswitze, jede Zote, ein leuchtendes Fanal für die Freiheit und unser Grundgesetz. Manchmal schießen mir beim Schreiben vor Rührung die Tränen in die Augen, wenn ich daran denke, dass die von mir getippten Buchstaben Ziegelsteine sind im großen Gemäuer unseres demokratischen Systems.

Mit diesem Gefühl bin ich nicht allein. Wie viele wissen, hat der »Eulenspiegel« ein großartiges westdeutsches Pendant: die »Bild«-Zeitung. Ihr Chefredakteur Kai Diekmann nahm all seinen Mut zusammen und schrie kurz nach dem Anschlag auf »Charlie Hebdo« in seinem Blatt dem Terrorismus entgegen: »Das Einzige, was wir dagegen tun können, ist, furchtlos so zu leben, wie wir leben. Schreiben, was wir schreiben wollen. Zeichnen, malen, dichten, aussprechen, wonach uns der Sinn steht. Der Preis dafür kann in einer Welt des Terrors immer das Leben sein, das müssen wir stets wissen. Aber wenn wir nicht bereit sind, ihn zu zahlen, sind wir auch nicht frei.«

Das war heldenhaft gesprochen! Man darf sich sicher sein, dass Kai Diekmann, wenn ihm der Sinn danach steht, auch weiterhin jedes indische Kind mit einer bizarren Behinderung und jeden Muschiblitzer von Britney Spears abdrucken wird. Er wird zudem mit seinem Leben dafür einstehen, dass Franz Josef Wagner alles schreiben darf, egal, wie besoffen er ist. Es ist Diekmanns gelebter Kampf für die Pressefreiheit.

Da die Satire nun so wichtig geworden ist, wird sie auch einen höheren Stellenwert in »seriösen« Publikationen erlangen. Dieser Trend ließ sich sofort nach den Anschlägen erkennen. Einige Chefredakteure besannen sich wieder auf den Witz. Dafür mussten sie nur auf Wikipedia nachlesen, wie dieser funktioniert. Dort steht: »Der Witz ist der Versuch eines Erzählers, durch gesprochene oder geschriebene, besonders strukturierte fiktive Erzählung den Zuhörer oder Leser durch einen für ihn unerwarteten Ausgang (Pointe) zum Lachen anzuregen.«

Das klingt kompliziert, in der Praxis ist es aber einfach. Ein Beispiel: Alle Welt fordert nach den Anschlägen, dass Mohammed-Karikaturen gedruckt werden müssen. Der unerwartete Ausgang: Man druckt Mohammed-Karikaturen. Folge: Lachen. Ein weiteres Beispiel sind Zeichnungen zerbrochener oder zu Maschinengewehren zusammengelegter Bleistifte. Auch hierüber kann man sich herzlich amüsieren - immer und immer wieder.

Es ist vielleicht dass einzig Positive, was die Folge der widerlichen Anschläge in Paris gewesen sein wird: Wir Deutschen haben unseren Humor wiedergefunden. Deshalb werden wir dem Terrorismus lachenden Mundes entgegentreten. Es ist gar nicht so sehr gegen unser Naturell, wie wir vielleicht denken. War es nicht sogar in unseren dunkelsten Stunden so, dass wir uns an Karikaturen erfreuen konnten? Egal, wie dicht der Bombenhagel auf unsere Städte war, die witzigen Bilder im »Stürmer« heiterten uns auf.

Wir haben also ein gutes Fundament dafür, um in der Zukunft einen unverkrampften Humor pflegen zu können. Aus verlässlichen Quellen hört man schon, dass die großen Satiriker des Landes sich nicht den Mund verbieten lassen. Mario Barth jedenfalls sitzt gewiss bereits an einem bitterbösen neuen Programm über seine Freundin und Schuhe. Es darf gelacht werden. Für die Freiheit werden wir sogar lachen müssen.

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