Back to the roots, forward to victory

Über Antifaschismus und die soziale Frage

  • radikale linke berlin
  • Lesedauer: 4 Min.

Es geht rund in der »Antifa«-Szene Deutschlands. Gruppen, von denen man dachte, sie seien »too big to fail«, haben sich aufgelöst oder sind in bundesweiten Zusammenschlüssen aufgegangen. Andere Gruppen – wie wir selbst – sind neu entstanden. Die Karten wurden neu gemischt, ob das Blatt, das wir nun in der Hand haben, besser ist als das vorherige, wird die Zeit zeigen.

Dass »Antifa« nicht überflüssig und veraltet ist, zeigt ein kurzer Blick auf die politische Landkarte Europas. Neonazistische Bewegungen wie Chrysi Avgi in Griechenland sind zu Massenbewegungen geworden, Parteien des rechten Rands wie die österreichische FPÖ oder der französische Front National kommen in der Wählergunst zeitweise auf 25 Prozent und mehr. In Deutschland marschieren nationalistische »Bürger_innen« zusammen mit Neonazis, Umfragen zufolge zeigen über 40 Prozent der Bevölkerung dafür »Verständnis«. Gleichzeitig supporten sämtliche »bürgerliche« Parteien dieses Landes zur Durchsetzung geopolitischer Ziele Neonazimilizen in der Ukraine.

Was wir führen müssen, ist also keineswegs eine Debatte darüber, ob Antifaschismus notwendig ist, sondern allein darüber, welchen Antifaschismus wir brauchen. Mit der organisatorischen Umstrukturierung und dem gegenwärtigen Erstarken rechter Mobilisierungen von HoGeSa bis PEGIDA begann in den letzten Monaten eine solche – durchaus produktive – Debatte darüber, was konsequenter Antifaschismus heute bedeutet. Namhafte Gruppen, von Frankfurt über Berlin bis Göttingen, Bezugsgruppen ohne Namen sowie Einzelpersonen haben sich zu Wort gemeldet, viel Treffendes und Richtiges wurde geschrieben.

Dazu gehört die These der Göttinger ALI, dass »Antifa als starker antagonistischer Ansatz dem Staat und den Herrschaftsverhältnissen gegenüber« zu entwickeln ist. Hier wollen wir ansetzen, und uns fragen: Wie soll das gehen? Denn alleine aus der Kritik an den ideologischen Inhalten rassistischer und faschistischer Mobilisierungen, aus Blockaden und Gegendemonstrationen, aus Outings und direkten Angriffen auf Nazikader – so wichtig und richtig das alles ist – wird nicht die nötige Gegenmacht entstehen, die sich als »starker antagonistischer Ansatz« gegen Staat und Kapital beschreiben lässt.

Diese wird nur dann entstehen, wenn wir dazu in der Lage sind, in Stadtteilen, Betrieben oder gesellschaftlichen und kulturellen Milieus eine tatsächliche Verankerung zu entwickeln. Diesen Ansatz verfolgte die 1932 gegründete »Antifaschistische Aktion« in ihrem Kampf gegen den deutschen Faschismus: »Ausgehend von der Organisierung der Tageskämpfe der Betriebsarbeiter_innen, der Erwerbslosen und Mieter_innen ist die Einheitsfront der Arbeiter_innen so zu festigen, dass sie imstande ist, den politischen Massenstreik gegen das faschistische Diktaturregime und all seine Unterdrückungsmaßnahmen siegreich durchzuführen«, hieß es in einer ihrer Publikationen.

Übersetzen wir das grauenhaft sperrige Ding in unsere heutige Sprache, dann heißt es: Antifaschismus fängt da an, wo wir uns in Kämpfe um das »Recht auf Stadt« einmischen, wo wir Zwangsräumungen verhindern oder soziale Zentren aufbauen. Er fängt da an, wo wir vorhandene Arbeitskämpfe in Betrieben unterstützen. Da, wo wir in der Lage sind, uns umkämpfte Terrains wie Fußballstadien zu erschließen.

Das allerdings wird nicht allein durch einmalige Events zu schaffen sein, sondern nur im Zusammenspiel mit der mühevollen Kleinarbeit kontinuierlicher Aufbauprozesse. Und: Es ist nicht allein durch kluge Belehrungen zu erreichen. Wenn wir nicht in der Lage sind, im Alltag nützlich zu sein, für uns und all die anderen, die das, was hier läuft, satt haben, werden wir noch so fluffige theoretische Papierchen schreiben können, es wird uns keinen wirklichen Schritt weiter bringen. The proof of the pudding is in the eating, sagte Friedrich Engels einst, und meinte damit auch, dass sich Theorien, die wir haben, in der Wirklichkeit bewehren müssen. Wenn wir – und viele andere – Antifaschist_innen, die These vertreten, dass Antifa »starker antagonistischer Ansatz« gegen die Gesamtscheiße sein muss, werden wir uns daran messen lassen müssen, inwieweit wir in der Lage sind, reale Gegenmacht herzustellen.

Das wird mühsam. Aber der Lohn dieser drückenden Mühe könnte sein, nicht mehr ganz so oft Feuerwehr spielen zu müssen, wie wir es nun tun. Denn dort, wo die radikale Linke hegemonial ist, müssen wir nicht im nachhinein blockieren, wir können dafür Sorgen, dass nationalistische und neofaschistische Mobilisierungen erst gar nicht zustande kommen.

Dieser Beitrag ist Teil eines Dossiers. Mehr Informationen zur Debatte über die Neuausrichtung antifaschistischer Politik finden sich hier.

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