Einmal Frankfurt und zurück

Blockupy will die EZB-Eröffnung stören - auch wenn das an einem Mittwoch nicht leicht werden dürfte

  • János Erkens
  • Lesedauer: 5 Min.
Zwei Monate bleiben zur Mobilisierung für Protestaktionen gegen die neoliberale Krisenpolitik. Größtes Problem ist der Termin mitten in der Woche. Blockupy hofft auf massenhaftes Blaumachen.

In einem Video, das derzeit im Netz kursiert, wartet ein Lehrer vergeblich auf das Erscheinen seiner Klasse, am Ende leuchtet der Slogan »Achtzehn-null-drei - ich nehm mir frei!« auf. Die Mobilisierung für die lange angekündigten Proteste zur Eröffnung der Europäischen Zentralbank (EZB) ist die größte Herausforderung für die Blockupy-Aktivisten. Erst gab es ewig gar keinen Termin, nun soll das neue Haus in Frankfurt am Main ausgerechnet mitten in der Woche feierlich eingeweiht werden. Die EZB schenkt ihren Kritikern nichts.

»Wir müssen die Leute dazu bringen, sich frei zu nehmen, krankzufeiern, blauzumachen«, erklärte ein Berliner Aktivist am Sonntag beim Vorbereitungstreffen in Frankfurt am Main die zentrale Botschaft der Mobilisierungsvideos. Drei kursieren bereits im Netz sowie in Programmkinos. Weitere Spots mit prominenten UnterstützerInnen sind in Vorbereitung.

Zwei Monate sind es noch zur Feier der EZB. »Die Organisation muss weiter auf Hochtouren laufen«, motivierte Corinna Genschel von der Linkspartei mehrere hundert AktivistInnen, die aus dem gesamten Bundesgebiet ins Frankfurter Gewerkschaftshaus gekommen waren. Bei ihrem Treffen berieten diese vor allem, wie der nahende Festakt möglichst effektiv gestört und blockiert werden kann. Lange Zeit in Blockupy-Kreisen als »Tag X« chiffriert, hatte die Eröffnung im November schließlich auch öffentlich ein Datum bekommen: Am 18. März dieses Jahres »werden RegierungsvertreterInnen aus der ganzen EU sich zur bisherigen Krisenpolitik beglückwünschen, während überall Menschen am Existenzminimum leben«, heißt es dazu auf der Blockupy-Internetseite. Diesen Tag wollen die Mitglieder des Bündnisses jedoch zu ihrem machen, gemäß dem Slogan: »Es gibt nichts zum Feiern am Krisenregime! Let’s take over the Party!«

Schon bei den mehrtägigen Aktionstagen im November, dem »Blockupy-Festival«, waren KapitalismusgegnerInnen vor das opulente Hochhaus im Frankfurter Osten gezogen und hatten Farbeier an die gläserne Fassade geworfen. Doch die Aktionen am 18. März sollen deutlich öffentlichkeitswirksamer sein und erfordern darum umfassende Planung. Die Aktiven diskutierten am Sonntag in Arbeitsgruppen neben den konkreten Formen des Protests und deren Finanzierung auch die Unterbringung und Verpflegung der angereisten DemonstrantInnen, gründeten ein Presse-Team, besprachen Möglichkeiten einer feministischen Intervention und koordinierten die Mobilisierung. Aus ganz Europa haben sich AktivistInnen angekündigt, den Call for Action gibt es in 17 Sprachen.

Auch Attac beteiligt sich an der Mobilisierung, trotz der existenziellen Auseinandersetzung mit Frankfurter Behörden. Das Finanzamt hat dem globalisierungskritischen Netzwerk die Gemeinnützigkeit aberkannt, manche vermuteten eine Retourkutsche für die Unterstützung der Blockupy-Proteste. Roland Süß jedoch winkt ab: »Das Finanzamt hat Attac schon 2010 vorgeworfen, zu politisch zu sein«, erklärte das Mitglied des Koordinierungskreises. »Damals gab es Blockupy noch gar nicht, sondern da ging es etwa um unsere Forderungen nach bedingungslosem Grundeinkommen.« Einen Zusammenhang zwischen der Beteiligung bei Blockupy und der Entscheidung des Finanzamtes zu ziehen, würde dem Netzwerk eher schaden.

Eine Demonstration anlässlich der Eröffnung des EZB-Neubaus wird auch vom örtlichen DGB unterstützt. Frankfurts DGB-Chef Harald Fiedler rief kürzlich dazu auf, an diesem Tag »gewaltfrei und friedlich« für ein »Europa der Menschen und nicht der Willkür des Marktes« zu demonstrieren und plädierte dafür, Griechenland weitere Schulden zu erlassen.

Inhaltliche politische Diskussionen gab es beim Aktiventreffen kaum, die Koordination der anstehenden Aktion steht im Vordergrund. Allein die zeitgleich erschienenen Positionspapiere des Blockupy-Bündnisses sowie der daran maßgeblich beteiligten Interventionistischen Linken (IL) zu den anstehenden Wahlen in Griechenland waren kurz Gegenstand der Diskussion. In beiden Papieren wird große Sympathie für SYRIZA deutlich, die jedoch nicht alle Anwesenden teilten: »Ich finde ein kritisch-solidarisches Verhältnis zu Syriza aber total okay«, sagte eine Aktivistin der IL. In deren Text wird ein möglicher Wahlerfolg der griechischen Linken als »Bruch mit der Ordnung« der neoliberalen Regierungen wie auch mit angeblichen Alternativen, die faschistische Organisationen dazu anbieten, aufgefasst. Auch bei dem Flugblatt von Blockupy handele es sich nicht um eine reine Solidaritätsbekundung mit SYRIZA, sondern um den Hinweis, dass »die Chance des Aufbruchs von der Straße kommt«.

Auf die Straße gingen die Aktivisten am Sonntag schließlich auch noch: Am alten Standort der EZB nahe des Gewerkschaftshauses brachten sie ein Transparent an, auf dem »First we take Athens, then we take...« zu lesen war, außerdem malten sie einen Stern auf der meterhohen Euro-Skulptur rot an.

Auffällig unauffällig verhält sich derweil die Polizei. Mit dem Dienstantritt des neuen Polizeipräsidenten Gerhard Bereswill im vergangenen Oktober könnte die Strategie der Beamten auch bei kommenden Blockupy-Aktionen eine andere sein als bisher. Vor allem aufgrund ihres gewaltsamen Vorgehens bei der Blockupy-Demonstration am 1. Juni 2013 war der damalige Präsident Achim Thiel in breite Kritik geraten. Schon kurz nach Beginn der Demonstration hatten Hunderte von Beamten einen Kessel um die Spitze des Zuges gebildet, etwa 1000 AktivistInnen stundenlang festgehalten und mit Tränengas traktiert. Die Demonstration mit angemeldeter Route war an diesem Punkt faktisch zu Ende, außerdem nahmen die Beamten die Personalien von zahlreichen TeilnehmerInnen auf, die »mit Regenschirmen und Sonnenbrillen« vermummt gewesen seien.

Zwischenzeitlich haben einige der Eingekesselten Klage bei Amts- und Verwaltungsgerichten eingereicht, weil dieser Einsatz unbotmäßig brutal und von vornherein geplant gewesen sei. Die nächste Verhandlung findet diesen Freitag statt. Diesmal geht es um zwei Klagen des ethecon-Gründers Axel Köhler-Schnura, der nicht nur das Land Hessen beschuldigt, ihm seine Grundrechte verwehrt zu haben, sondern auch Anzeige gegen einen unbekannten Polizisten erstattet hat, der ihm ärztlich dokumentierte Körperverletzungen zugefügt hatte.

Den Schutz der Anonymität sollen die Beamten bei kommenden Blockupy-Aktionen übrigens nicht mehr genießen: Polizeipräsident Bereswill will seine Hundertschaften am 18. März erstmals mit Erkennungsnummern versehen.

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