Schalom und Alefbet

Die Leseprobe

  • Lesedauer: 2 Min.

Schalom und Alefbet

Die ab Oktober 1941 begonnene systematisch Deportation von Juden durch die Gestapo und deren willfährige Helfer aus Berlin machte auch vor den Kindern und Jugendlichen der Jüdischen Mittelschule in Berlin keinen Halt: Bereits im Oktober 1941 fielen die gerade einmal 13-jährigen Mädchen der 7. Klassenstufe Brigitte Ury und Brigitte Glaser dem rassistischen Verfolgungswahn der Nationalsozialisten zum Opfer. Für ihre damalige Klassenkameradin Roselotte Lehmann, die direkt gegenüber dem Schulgebäude in einem sogenannten Judenhaus wohnte, brach plötzlich eine Welt zusammen, und mitten im Unterricht machte sie ihrem Klassenlehrer, Dr. Alfred Rosenberg, vor allen Mitschülern, sogar direkte Vorhaltungen: »Wozu soll ich Goethe auswendig lernen, wenn Brigitte Ury und Brigitte Glaser nach dem Osten verschleppt werden?«

Roselotte hatte noch tags zuvor ihrer Freundin Brigitte Glaser ihren einzigen Pullover, den sie besaß, mit auf »Transport« gegeben. Das seelische Unglück der Zurückgebliebenen spiegelt sich auch auf einem erhalten gebliebenen und am Sonntag, dem 14. Dezember 1941 in der Schule aufgenommenen Foto der Feierlichkeiten zu Chanukka (Lichterfest) wider: 50 Schüler zünden in der Aula des Gebäudes gemeinsam mit ihrem Klassenlehrer Dr. Alfred Rosenberg die erste Lichterkerze des Leuchters an. Der Gesichtsausdruck der Versammelten erzählt dabei mehr als tausend Wort zu beschreiben vermögen ...

Am Montag, dem 29. Juni 1942, am letzten Schultag in der jüdischen Mittelschule erhielten alle ihr Schlusszeugnis. Ob die Schülerinnen und Schüler es noch sinnvoll gebrauchen konnten, wussten sie an diesem Tage noch nicht. Deprimierende Siegesmeldungen der Wehrmacht im Reichsrundfunk von den Fronten in Afrika und dem mörderischen U-Boot-Krieg überlagerten an diesem Tage das jüdische Leben durch ein Leben der Deutschen »da draußen« in der großen Stadt Berlin.

Aus Dirk Külow »Schalom und Alefbet. Die Geschichte des Jüdischen Gymnasiums in Berlin« (Hentrich & Hentrich, 237 S., geb., 17,99 €); Buchpremiere am 26. Januar, 18 Uhr, in der Neuen Synagoge Berlin, Oranienburger Straße, 1011/ Berlin.

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