Die Todgeweihte
PERSONALIE
Sieht so eine Terroristin aus? Eher ist es eine Frau, die unendlich viel Leid erfahren hat. Sadschida al-Rischawi hat tatsächlich niemanden umgebracht, wohl aber hat sie es versucht. Jetzt steht sie im Mittelpunkt eines Geiseldramas. Die Frau, deren Alter mit 44 Jahren angegeben wird, soll ausgetauscht werden gegen einen von den Milizen des Islamischen Staats (IS) über Syrien abgeschossenen jordanischen Kampfflugzeug-Piloten sowie einen japanischen Kriegsreporter - beide in der Gewalt von IS. Ob sie vor allem aus eigenem Antrieb handelte oder mehr unter dem Zwang ihres Clan-Oberhaupts, fanatischer Imame oder sonst welcher Dschihadisten - darüber hat das jordanische Gericht nichts verlauten lassen, als es Rischawi 2006 zum Tode verurteilte. Dass sie nicht hingerichtet wurde, verdankte sie einem Todesstrafen-Moratorium, das zu jener Zeit in Jordanien in Kraft gesetzt wurde. Jetzt gilt es offenbar nicht mehr, denn im Dezember wurden acht Mörder hingerichtet.
Rischawi war Teil eines Selbstmörderquartetts, das mit reichlich Sprengstoff am Körper versehen, im November 2005 in vier Ammaner Hotels Attentate verüben wollte. In drei Fällen ging der Plan auf. Neben den drei Attentätern, darunter ihr Ehemann, starben 57 Menschen. Rischawis tödlicher Cocktail zündete nicht. Die jordanische Hochzeitsgesellschaft im Radisson Amman, welche von ihr attackiert werden sollte, kam mit dem Schrecken davon. Vier Tage später wurde sie verhaftet.
Das jordanische Gericht fragte nicht, ob Rischawi in der streng hierarchischen Gesellschaft eines sunnitischen Clans überhaupt eine Chance hatte, der »Karriere« als Selbstmordattentäterin zu entgehen. Nachdem ihr Bruder Abū Musab al-Zarqāwī, Anführer der Terrorgruppe Al Qaida in Irak, im Juni 2006 zu Tode gekommen war, galt sie als »schwarze Witwe«, todgeweiht für ausgewählte Racheaktionen. Mit einem irakischen Pass ausgestattet, war sie mit ihrem Ehemann in Amman angekommen. In Ihrem Geständnis heißt es: »Mein Mann ist der, der alles organisierte.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.