Willkommen und Abschied im Asyl
Sachliche Diskussion über geplante Flüchtlingsunterkunft in Doberlug-Kirchhain
Waldhufenstraße 97. Die Adresse klingt nach einem abseits gelegenen Bauerngehöft. Tatsächlich steht dort aber - nicht weit vom Markt - die Stadthalle von Doberlug-Kirchhain. Die Kommune im Landkreis Elbe-Elster ist nun einmal klein, zählt bloß 8500 Einwohner. Da empfinden es einige als unzumutbare Belastung, dass hier nun zeitweilig bis zu 800 Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Auch CDU-Generalsekretärin Anja Heinrich hat sich darüber echauffiert.
Nicht weit weg von der Stadthalle stehen nur noch links der Straße Häuser, rechts dehnt sich eine Ebene und geradezu beginnt der Forst. Ein rumpeliger Weg führt zu einer Straße und über die Straße geht es durch den dichten Wald, bis plötzlich ein großer Gebäudekomplex auftaucht: die alte Lausitz-Kaserne. Die Bundeswehr hat diesen Standort bereits vor zehn Jahren aufgegeben. Drei Gewerbetreibende haben sich angesiedelt. Der größte Teil des Areals steht aber leer. Das wird sich noch in diesem Jahr ändern. Die in Eisenhüttenstadt gelegene zentrale Erstaufnahmestelle des Landes Brandenburg für Flüchtlinge ist überfüllt. Außenstellen in Ferch und Frankfurt (Oder) sind bereits eröffnet und werden noch ausgebaut. Nun soll - voraussichtlich im Herbst - auch noch eine Außenstelle in Doberlug-Kirchhain hinzukommen.
Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) erläuterte am Donnerstagabend die Beweggründe. Man habe sich auch andere Objekte angesehen, unter anderem eine Kaserne in Strausberg, aber die in Doberlug-Kirchhain sei in einem besseren Zustand. Zu der Informationsveranstaltung in der Stadthalle waren ungefähr 350 Bürger gekommen. Etliche Stühle blieben leer, obwohl das Innenministerium mit 400 Besuchern gerechnet hatte. Das Ministerium wollte verhindern, dass sich irgendwelche Leute hineindrängeln und Anwohner, die in der Nähe der geplanten Asylunterkunft wohnen, aus Platzgründen abgewiesen werden müssen. Darum wurden persönliche Einladungen verschickt. Das sorgte für Verstimmung, denn viele Bürger, die nicht eingeladen wurden, wären gern gekommen, wenn sie gewusst hätten, dass es gar nicht voll wird.
Sein Hinweis, dass Journalisten da sind, dass in Zeitungen und im Fernsehen berichtet werde und mehr Öffentlichkeit nicht gehe, nutzte dem Minister wenig. Wieder und wieder schimpften Besucher über die Einladungspraxis. Auch CDU-Generalsekretärin Heinrich beschwerte sich.
Davon abgesehen wurde jedoch sehr ruhig diskutiert. Minister Schröter lobte, eine so sachliche Debatte habe er noch nicht erlebt. Allerdings hörte er von seinem Platz auf dem Podium auch nicht das Murren und die Zwischenrufe auf hinteren Stuhlreihen. So etwa, als Schröter auf Nachfrage beruhigte: Nein, die Gelder für das Asylheim kommen nicht aus der Rentenkasse, wie der Buschfunk in der Stadt verbreitet hatte, sondern aus Steuermitteln. Da polterte hinten ein Zuhörer: »Genau, Steuergelder, ihr verplempert Steuergelder!«
Die Bundesrepublik sei ein reicher Staat und könne sich durchaus leisten, Menschen in Not zu helfen, betonte Schröter. Mit den 6300 Flüchtlingen, die Brandenburg 2014 aufgenommen habe, sei das Land keineswegs überfordert. Schröter erinnerte, dass seine Eltern gegen Ende des Zweiten Weltkriegs auch Flüchtlinge gewesen sind.
Eine Frau fragte flapsig nach dem Bus 571, der öfter verkehren soll, und nach dem speziellen Fahrdienst für Flüchtlinge. Ob die etwa aussteigen dürften, wo es ihnen passe? Ein Anwohner gestand besorgt: »Ich habe ein richtig mulmiges Gefühl in der Magengegend, was auf uns zukommt.« Er wohne anderthalb Kilometer von der alten Kaserne entfernt und das nächste Wohnhaus stehe wieder einen Kilometer weit weg. Der Mann hat Angst vor Islamisten. Die Attentäter auf die Pariser Satirezeitung »Charlie Hebdo« seien doch wohl auch einmal als Asylanten ins Land gekommen.
Das sind sie nicht, wie der Minister klarstellte. Die drei Terroristen seien alle in Frankreich geboren. Das Podium bemühte sich, Bedenken zu zerstreuen. »Wir reden hier nicht über Straftäter, wir reden über Flüchtlinge«, hieß es. Frank Nürnberger, der die Zentrale Ausländerbehörde leitet, sprach von den Erfahrungen in Eisenhüttenstadt. Es gebe wegen der Enge dort auch mal Reibereien und deswegen Polizeieinsätze, das wolle er gar nicht verschweigen. Aber schwere Kriminalität komme nicht vor und die Asylbewerber ziehen keineswegs durch die Kleingartenanlagen, um Fernsehapparate aus den Lauben zu stehlen. »Ausländer sind keine besseren, aber auch keine schlechteren Menschen«, sagte Nürnberger.
Es meldeten sich auch Einwohner zu Wort, die beschwichtigen wollten. So erklärte ein zugezogener alter Herr mit bayerischem Akzent, die Syrer, die nach Deutschland flüchten, das seien keine Islamisten, sondern Jesiden. Ihre Religion sei älter als die katholische Kirche, somit auch älter als der Islam. Vor den Jesiden müsse niemand Angst haben.
Ein anderer Mann berichtete, er sei beruflich schon oft in Syrien und anderen Staaten des Nahen Ostens gewesen und dort immer herzlich empfangen worden. Die Leute seien gastfreundlich. Es gelte die Regel: »Wie es in den Wald hinein schallt, so schallt es auch heraus.« Wenn man die Flüchtlinge nett behandele, werde es keine Probleme geben.
Arne Kühn vom Turn- und Sportverein Doberlug 1863 bedauerte, dass die Flüchtlinge nur sechs bis acht Wochen in der Erstaufnahme bleiben, bevor sie auf die Landkreise verteilt werden. Das sei zu kurz, um sie in Wettkämpfe einzubinden. Sie seien aber zum Training herzlich willkommen. Wenn das Wort Willkommen fiel, klatschte ein Drittel des Saals. Wurden Vorbehalte und Vorurteile laut, war es ebenfalls ein Drittel.
80 Arbeitsplätze beispielsweise als Hausmeister, Wachmann oder Köchin stellte Minister Schröter in Aussicht. Bereits vor der Eröffnung des Heims werde es Aufträge für regionale Baufirmen geben, danach könnten Fleischer und Bäcker liefern. Wer das geplante Geschäft im Heim übernehmen möchte, solle sich melden, hieß es. Zwei Männer, die vor der Tür rauchten, äußerten Misstrauen. Die Aufträge gehen bestimmt an alle möglichen Subunternehmen und hier im Ort habe niemand etwas davon, meinten sie.
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