Der Kampf um die Troika
SYRIZA wirkt: Die EU-Kommission denkt über Veränderungen bei dem umstrittenen Spar-Gremium nach - doch das Problem ist nicht der Name.
Im politischen Berlin ist in den vergangenen Tagen oft behauptet worden, die neue SYRIZA-Regierung werde mit ihrem Kurs gegen die Spardiktate auf europäischem Parkett in die Isolation geraten. Es dürfte sich dabei vor allem um einen Wunsch der Großen Koalition handeln - einen, der die deutschen Interessen gegen die Veränderungen immunisieren soll, die bereits eine Woche nach Amtsantritt der SYRIZA-Regierung zumindest möglich erscheinen.
Man werde, sagte am Montag Vizeregierungssprecherin Christiane Wirtz, an der so genannten Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank festhalten (siehe den Beitrag unten). Die Koalition sehe auch »keinen Anlass, von diesem bewährten Mechanismus abzuweichen«, so Wirtz, die noch nachschob, der Bundesregierung seien keine Anhaltspunkte bekannt, die EU-Kommission könne von der Troika Abstand nehmen.
Eben diese Anhaltspunkte gibt es durchaus, und einige davon sind sogar schon länger bekannt. Schon im vergangenen Jahr hatte der so genannte Troika-Bericht des EU-Parlaments kritisiert, das Mandat des Gremiums sei »unklar, intransparent und einer demokratischen Kontrolle entbehrend«. Zudem habe die Troika außerhalb des EU-Rechts gestanden. Am Montag zeigte sich die EU-Kommission offen für eine Veränderung des von Griechenland abgelehnten Gläubiger-Gremiums. Ein Sprecher wies in Brüssel zudem darauf hin, dass Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bereits vor seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr die Bereitschaft geäußert hatte, »in Zukunft« könne die Troika durch ein »besser demokratisch legitimiertes« Gremium ersetzt werden. Es gebe allerdings jetzt noch keine konkreten Pläne für eine »neue Struktur«.
Eine solche durchzusetzen ist erstens nicht ganz einfach, immerhin wird die Bundesregierung geltend machen, dass das Troika-System zum Beispiel im Vertrag über den Schutzschirm ESM verankert und also nicht einseitig zu ändern sei. Auch bei der EU-Kommission hieß es, dass für Änderungen der geltenden Vereinbarungen die Zustimmung aller anderen 18 Euro-Staaten nötig ist.
Zweitens und vielleicht noch wichtiger, darauf verwies am Montag der linke Europaabgeordnete Fabio Di Masi: Es kommt weniger auf den Namen an, denn auf den Inhalt. Di Masi sagte, es sei zwar dringend nötig, die Troika zu beerdigen - aber dies allein ändere nichts, wenn »die dumme Kürzungspolitik« fortgesetzt werde. Eine jetzt womöglich näher rückende EU-rechtskonforme Legalisierung der Troika-Politik sei unzureichend.
Die Skepsis scheint berechtigt. Am Montagmorgen hatte das »Handelsblatt« aus Kreisen der EU-Kommission berichtet, dort werde zwar über die Abschaffung der Troika in der bisherigen Form nachgedacht. Von einer Abkehr von der damit verbundenen Politik war aber nicht die Rede, sondern nur davon, »jetzt schnell eine Alternative« für die Konstruktion zu finden. Was die Bundesregierung als »bewährten Mechanismus« bezeichnet, ist nach Ansicht vieler Kritiker aber der Grund für Massenarbeitslosigkeit und Verarmung: egal unter welchem Namen. Zudem gibt es EU-Staaten, in denen drastische Spardiktate auch ohne Troika durchgesetzt werden.
Die neue Regierung in Athen hatte die Troika bereits am vergangenen Freitag symbolisch vor die Tür gesetzt; begleitet von einem denkwürdigen Dialog zwischen Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und dem neuen griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis. Der Niederländer soll nach der Ankündigung der SYRIZA-Regierung, die Kooperation mit dem Gremium einzustellen, gesagt haben: »You just killed the Troika«. Worauf der griechische Finanzminister mit nur einem Wort reagiert haben soll: »Wow.«
Nicht einmal eine Woche hat SYRIZA nur gebraucht, um eine ganz neue Runde des Ringens um eine wesentlichen Pfeiler der Krisenpolitik loszutreten. Daran hat auch die restaurative Kritik aus Berlin nichts geändert. Für eine erhellende Einordnung des starren Festhaltens der Bundesregierung sorgte am Montag sogar US-Präsident Barack Obama. Er äußerte Verständnis für die Abkehr der SYRIZA-Regierung vom umstrittenen Sparkurs. »Sie können Länder, die sich inmitten einer Depression befinden, nicht immer weiter ausquetschen«, sagte er gegenüber CNN.
Dagegen pochten Vertreter der deutschen Regierungsparteien unverdrossen auf Fortsetzung des Sparkurses. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) wandte sich gegen die Abschaffung der Troika - und verwies dazu auch auf die »engen Grenzen«, welche das Bundesverfassungsgericht bei der Euro-Rettungspolitik gezogen hatte. Der Vizechef des Wirtschaftsausschusses im EU-Parlament, der CSU-Politiker Markus Ferber, warf im Sender Phoenix die Frage auf, »wer langfristig einen Schock haben wird, die Troika oder Griechenland?« Ferbers Antwort: »Meine Prognose ist, dass Griechenland den Schock haben wird.«
Ob das tatsächlich so bleibt, wird auch davon abhängen, wie erfolgreich Ministerpräsident Alexis Tsipras bei seiner Rundreise durch europäische Staaten für sein Alternativprogramm werben kann. Nach Zypern am Montag stehen Besuche in Rom, Paris und Brüssel an. Erste Gespräche mit der EU-Kommission hat es bereits am Wochenende gegeben. Am Samstag telefonierte Juncker mit Tsipras; EU-Währungskommissar Pierre Moscovici traf in Paris den griechischen Finanzminister Varoufakis.
Die Eurogruppe der Finanzminister könnte bereits am Freitag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Wer dann mit seiner Position zur EU-Krisenpolitik wie stark isoliert ist, wird sich also Ende der Woche schon etwas genauer zeigen.
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