Wie weit geht das Kanzleramt noch ?
Daniel Lücking über den NSA-Untersuchungsausschuss
Das erste Jahr des NSA Untersuchungsausschusses ist noch nicht ganz vorbei. Während sich die Öffentlichkeit und auch manche Medienvertreter über einen eher langweiligen Verlauf beklagen, leisten die Parlamentarier Aufklärungsarbeit. Wie wichtig, wird immer dann besonders deutlich, wenn sich Kanzleramt und Dienste unter Druck gesetzt fühlen und agieren.
Am Donnerstag ersuchten die Obleute in einem gemeinsamen Schreiben den Bundestagspräsidenten Lammert um Unterstützung, um handlungsfähig zu bleiben. Aktenmaterial mit Bezug zum britischen Dienst GCHQ soll den ermittelnden Parlamentariern vorenthalten werden. Die Arbeit des Ausschusses wird derweil in den Verdacht gesetzt, internationale Beziehungen zu beschädigen und die nationale Sicherheit zu gefährden.
Friendly fire
Der CDU-Obmann Roderich Kiesewetter gibt sich gegenüber der Bundesregierung verständnisvoll, erkennt das Geheimhaltungsinteresse an, mahnt aber, zwischen Aufklärung und Geheimschutz abzuwägen. Für ihn war es die vorletzte öffentliche Sitzung. Er verlässt Ende Februar den Ausschuss, um sich voll auf die Arbeit in anderen Arbeitsbereichen zu konzentrieren.
Damit entgeht er der Gefahr, durch »Friendly Fire« von Seiten der Regierung am Ausschuss politisch Schaden zu nehmen. Abseits der Ausschussarbeit deutlich ramponiert, aber (noch?) handlungsfähig verbleibt sein Kollege Patrick Sensburg zunächst als Leiter des Untersuchungsausschusses.
Sensburg fiel zuletzt durch ein Schreiben auf, in dem er um die Freigabe der Mitschriften der öffentlichen Sitzungen bat. CDU-Parteikollege Wadephul aus dem Geschäftsordnungsausschuss regte an »Bloggen und twittern« aus dem Ausschuss einzuschränken. Das gab sicherlich ein Fleißbienchen ins Muttiheft.
Mit einem sprichwörtlichen blauen Auge kam Christian Flisek im Oktober 2014 davon. Rund um das Thema »Eikonal« fand er sich plötzlich mit der Androhnung von Ermittlungen konfrontiert.
Auch Unternehmen in Bedrängnis
Nicht nur Dienste und Regierung – auch die Unternehmen, die an der Überwachung mitgewirkt haben sind unter Druck. Wie stark zeigte zuletzt die Telekom, die zu Ausschusssitzungen eigenes einen Corporateblogger aus dem Unternehmen anreisen ließ und mit Pressemeldungen versucht, sich in ein halbwegs positives Bild zu rücken.
Subtil – aber spürbar – ist der Druck aus den Reihen anderer Unternehmen, wenn die ermittelnden Parlamentarier wieder einmal vermeiden, die Namen der mutmaßlich an der Überwachung beteiligten Unternehmen zu nennen. Aus den Medien sind die Anschuldigungen längst bekannt. Jeder weiß, über wen hier gerade ermittelt und geredet wird.
Auch die zahlreichen Operationsnamen, die der BND nun unter »offen« verbuchen könnte, kommen nur mit sichtlicher Schere im Kopf zur Sprache. Ach wie gut das niemand weiß…Schnauze Rumpelstilzchen!
»Der Provider«, ein »anderer Ansatz« oder die Operation »Glo Punkt-Punkt-Punkt« – wann immer geheime Aspekte in öffentlicher Sitzung angerissen werden, wirkt es, als redeten Parlamentarier und Zeugen über Bienchen und Blümchen, anstatt offen über Sex. Auslöser dieser Verklemmtheit sind die subtil bis offen transportierten Drohungen.
Der Absender ist mal der mittlerweile recht still gewordene Chef des Kanzleramtes Peter Altmaier, der sich im Oktober mit einem Drohbrief unbeliebt machte. Heute hingegen war es ein Redakteur von Focus – Josef Hufelschulte. Aber bitte nicht den Boten der Nachricht töten – der Urheber sitzt anderswo.
Auf den Punkt bringt es Christian Ströbele: Hufelschulte ist bereits mit dem BND assoziiert und war Ziel von dessen Überwachung. Soll er nun Fakten schaffen und »besonders glaubwürdig« den Ausschuss als Gefahr für die nationale Sicherheit brandmarken? Erleben wir die Fortsetzung des Journalisten-Skandal von 2005 der bereits im BND-Ausschuss ein Thema war?
Nun tauchen die Namen von damals am NSA-Ausschuss (Josef Hufelschulte) , aber auch im Edathy-Ausschuss (Hartmann) wieder auf. Schmierentheater oder Verschwörungstherorie – für jeden Geschmack ist etwas dabei.
Ausblick
In den kommenden Tagen dürfen wir mit einer wachsenden Drohkulisse rechnen, wie Grünen-Obmann Konstantin von Notz beschreibt. Es bleibt zu hoffen, dass es bei der Drohkulisse in Form von Artikeln bleibt und nicht mit realen Bedrohungsszenarien versucht wird, das offenkundig durchsichtige Drehbuch dieser Affäre anzufüttern. Wie weit gehen die Dienste und das Kanzleramt? Schon jetzt deutlich zu weit.
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