Der Vermögensverwalter für den Kleinsparer
Die sozial und ökologisch engagierte GLS Bank setzt wegen Niedrigzinsen auf ein neues Geschäftsmodell
»Wenn schon keine Zinsen mehr, dann wenigstens eine sinnstiftende Geldanlage«, das ist Thomas Jorberg zufolge das Motto vieler Menschen heute. Der Mann muss es wissen. Schließlich ist er Chef der GLS Bank. Die setzt mehr auf das gute Gewissen ihrer Kunden, statt auf deren Renditeerwartungen. Das Kreditinstitut pumpt deswegen das Geld seiner Kunden vornehmlich in die Energiewende und soziale Wohnprojekte.
Eigentlich fährt Jorberg deshalb mit seiner Bank zurzeit ganz gut. Einen Kundenzuwachs von 14 Prozent konnte die Genossenschaftsbank im vergangenen Jahr verbuchen, die Bilanzsumme stieg um 12,4 Prozent, das Eigenkapital sogar um knapp ein Viertel. Doch mit knapp 190 000 Kunden und einer Bilanzsumme von rund 3,6 Milliarden Euro fristet die GLS Bank weiter ein Nischendasein für sozial und ökologisch motivierte Anleger. Zum Vergleich: Der Branchenprimus hierzulande - die Deutsche Bank - hat eine Bilanzsumme von 1,7 Billionen Euro und weltweit 28 Millionen Kunden.
Trotz der relativ guten Leistung, die die GLS Bank im letzten Jahr hingelegt hat, plagen Jorberg gewissermaßen Zukunftsängste. »Das Ende von Banken wie wir sie kannten«, ist der Titel eines Positionspapiers, das er Ende Januar schrieb. Seine Prophezeiung: Mittelfristig, also in fünf bis zehn Jahren, wird die klassische Kundenbank womöglich Geschichte sein, weil ihr Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert.
Dies liegt nicht allein daran, dass die Geldhäuser durch die Finanzkrise an Akzeptanz verloren haben. Vor allem die derzeit niedrigen Zinsen setzen der Branche zu. Zwar bekommen die Kreditinstitute ihr Geld von den Zentralbanken so günstig wie noch nie. Doch müssen sie dies an die Kunden weiter geben. Zwei Prozent Zinsen kann Jorberg noch für einen Kredit verlangen, wenn der Schuldner gute Sicherheiten aufweist. »Das ist im Moment noch kostendeckend«, sagt der Banker und ist mit seiner Meinung bei weitem nicht allein in der Branche. »Das Niedrigzinsumfeld führte zu Margendruck«, kommentierte etwa Deutsche-Bank-Ko-Chef Anshu Jain Ende Januar trocken diese Entwicklung.
Auf der anderen Seite sind die Sparer verärgert, dass sie fast kein Geld mehr auf ihre Einlagen bekommen. Zinsen von unter einem Prozent auf das Tagesgeld sind wahrlich keine üppige Rendite. Zwei Drittel aller befragten Sparer gaben deswegen jüngst in einer Umfrage des Bankenverbandes an, dass sie unzufrieden mit der Wertentwicklung ihrer Geldanlage seien.
Die Branchenlobbyisten geben vor allem der Europäischen Zentralbank (EZB) die Schuld für die niedrigen Zinsen. »Die expansive Geldpolitik der EZB belastet die Sparer und gefährdet die private Altersvorsorge«, erklärte die Deutsche Kreditwirtschaft im Vorfeld der EZB-Entscheidung, Anleihen zu kaufen.
Doch für Jorberg greift diese Erklärung zu kurz. »Den Niedrigzins macht ja nicht die EZB allein«, meint er. Der alternative Banker sieht das Problem vielmehr in der weltweit wachsenden Konzentration des Reichtums in den Händen einiger weniger »Die Vermögenden suchen händeringend Gläubiger«, sagt er. Wenn das reichste Prozent der Welt mehr als alle anderen besitzt, dann gibt es einfach zu viel ungenutztes Kapital.
Denn mit dem Kapital ist es so wie mit jeder anderen Ware auch: Den Preis bestimmen Angebot und Nachfrage. Und wenn die Unternehmen nicht mehr investieren, weil die normale Bevölkerung ihre Waren nicht mehr kaufen kann und auch der Staat nicht mehr investiert, dann sinkt die Nachfrage nach Kapital und damit auch sein Preis - der Zins.
Deswegen glaubt Jorberg auch nicht, dass sich an diesem Problem in den nächsten Jahren etwas ändern wird. Letztlich können die Kundenbanken nur überleben, wenn sie ihre Gebühren erhöhen, weil bei den Zinsmargen nichts mehr zu machen ist. Jorberg will dafür so etwas wie den Vermögensverwalter für den Kleinsparer einführen. Für einen gewissen Betrag soll es ein »Leistungspaket« geben, in dem von der Kontoführung über Beratung bis hin zur Kreditvermittlung alles ohne verdeckte Zusatzkosten abgedeckt ist.
Funktionieren wird dies aber nur, wenn die Geldhäuser es schaffen, ihre Kunden wieder fester an sich zu binden. Wenn diese weiter ihr Girokonto bei der einen und das Festgeld bei einer anderen Bank haben werden, wird dies freilich nicht klappen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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