Was soll der »Merkel-Bullshit«?

Der Ukraine-Kurs der Bundesregierung stößt in Washington auch auf scharfe Kritik

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.
US-Präsident Obama hat am späten Montagnachmittag im Weißen Haus mit Kanzlerin Angela Merkel die Ukraine-Krise erörtert.

Ursprünglich sollte es bei der Arbeitsvisite von Angela Merkel im Oval Office vor allem um den G7-Gipfel in Deutschland gehen. Aber so wie Präsident Wladimir Putin nach Russlands Suspendierung dort fehlen wird, so bestimmten er und die Ukraine-Krise am Montag die Agenda in Washington. Da blieb vom eigentlichen Thema fast nur ein Frühstück mit weiblichen Führungskräften - Merkel hatte die Stärkung von Frauen während ihrer G7-Präsidentschaft zum Schwerpunkt-Thema gemacht. Vor allem aber wollte die Bundeskanzlerin Barack Obama natürlich die deutsch-französische Friedensinitiative für die Ukraine erläutern. Als sie mit Präsident François Hollande in Moskau verhandelte, hatte der Nachrichtensender CNN die Schlagzeile gewählt: »USA bei direktem Treffen mit Putin ausgeschlossen.«

Dass Merkel jetzt im Blair House in der Pennsylvania Avenue Northwest gleich neben dem Weißen Haus übernachten durfte, werteten manche Beobachter schon als Wertschätzung und Anerkennung des US-Präsidenten. Ob diese jedoch soweit reicht, um ihren Kurs in der Ukraine-Krise uneingeschränkt zu unterstützen, blieb in Washington umstritten. Merkel hatte vor ihrer Reise noch einmal Berlins striktes Nein zu Waffenlieferungen an Kiew bekräftigt. Das »Wall Street Journal« wusste aber auch zu berichten, dass sie Putin mit neuen Sanktionen gedroht habe, sollte er nicht bis Mittwoch dem jüngsten Vorschlag für eine Friedenslösung zustimmen. »Niemand hat je mit dem Präsidenten im Ton eines Ultimatums geredet oder kann mit ihm so reden«, konterte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag im russischen Radio.

Dafür befleißigten sich US-Senatoren wie John McCain, Chef im Streitkräfteausschuss, eines geradezu unverschämten Tons gegenüber einer angeblich doch befreundeten Regierungschefin, um deren Ukraine-Politik im Heimatland öffentlich zu kritisieren - selbst wenn sie dabei vor allem den eigenen Präsidenten in seiner vermeintlich schwächelnden Selbstbeschränkung gegenüber dem alten und neuen Erzfeind Russland treffen wollten. Hinter verschlossenen Türen soll es auf der Münchener Sicherheitskonferenz am Wochenende noch drastischer zugegangen sein, als unter anderem vom »Merkel-Bullshit« die Rede war.

Wie US-Vizepräsident Joe Biden am Montag unmittelbar vor dem Treffen Merkel-Obama noch einmal betonte, könne es keine militärische Lösung geben. Doch ist das Lager jener im Washingtoner Kongress, Außenministerium und im Pentagon zuletzt immer größer geworden, die Kiew zumindest mit sogenannten Defensivwaffen versorgen wollen. Darunter keineswegs nur Republikaner. Und NATO-Oberbefehlshaber Philipp Breedlove sinnierte sogar über Raketen und Drohnen, die die ukrainische Armee gar nicht bedienen kann - weshalb logischerweise auch US-Berater und -Training notwendig seien. Je erfolgreicher Merkels diplomatische Bemühungen, um so länger kann Obama solchem innenpolitischen Druck widerstehen.

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