Die Globalisierung und ihre Gegner
Ich kann mich noch gut erinnern, wie der Reformgeist der rot-grünen Jahre all jene als Modernisierungsverweigerer bezeichnete, die für die Reformen der damaligen Zeit nichts übrig hatten. Die Montagsdemonstrationen waren somit voller Leute, die sich der Modernisierung entziehen wollten, die also - anders gesagt – rückständig, altmodisch oder hinterwäldlerisch bleiben wollten. Diese Stigmatisierung war ganz schön dreist. Denn die Menschen, die gegen Hartz I bis IV waren, waren ja nicht gegen eine moderne Gesellschaft, sondern schlicht gegen Sozialabbau. Dass der irgendwie modisch sein sollte, mochten sie halt nicht glauben. Aus gutem Grund, wenn man das Gefüge des Sozialstaates heute mal so anschaut.
Die Reformen wurden durchgeboxt und verschlimmbessert und heute spricht keiner mehr von Modernisierungsverweigerern. Nun hört man immer wieder mal etwas von sogenannten »Globalisierungsgegnern«. Die Belegschaft von Attac sollen welche sein. Bei Occupy wimmelte es offenbar auch nur von solchen Gesellen. Und alle, die die Gipfeltreffen der G8- oder G7-Staaten mit Skepsis verfolgen und gegen sie demonstrieren, sind natürlich sowieso Gegner einer globalisierten Welt.
Das ist natürlich Unsinn. Ganz gezielte Verächtlichmachung. So wie die Montagsdemonstranten nicht das Unmoderne, sondern einen modernen Sozialstaat wollten, so wollen diese kritischen Begleiter der Globalisierungsprozesse keine »tribalistische Erde«, sondern einen globalen Standardisierungsablauf, der allen dient – und nicht nur eben einigen Konzernen und Unternehmen.
Letztlich wäre es ja auch albern, gegen die Globalisierung zu sein. So ein neues Phänomen ist sie ja auch nicht. Nur in der Geschwindigkeit und mit der Effizienz, die sie in den letzten Jahren angenommen hat, ist sie ein neues Phänomen. Aber dass alles zusammenrückt, abgeglichen wird, dass man Ressourcen dort ausbeutet, um sie woanders zu verarbeiten – das ist alles ein alter Hut. Wie aber dieser Prozess jetzt beschleunigt wird und wie man sich immer noch weigert, ihn in demokratische Hände zu legen, ihn strikt zu reglementieren und an ethische Normen zu koppeln, das stinkt Attac, Occupy und wie sie sich alle nennen.
Warum sollten sie aber gegen die Chancen sein, die eine Welt, die eng zusammenrückt, auf kurze und lange Sicht bietet? Ein Weltethos braucht doch genau diese Grundlage. Das wissen sie ganz genau. Sie sind nicht Globalisierungsgegner, sondern So-wie-die-Globalisierung-jetzt-läuft-Gegner. Globalisierungskritiker. Letzteres liest man auch ab und zu in der Zeitung. Das trifft es weitaus besser. Wenn diese Gruppierungen aber lästig werden, gebraucht man den »Globalisierungsgegner«. Denn der stigmatisiert, erklärt diese Leute zu zurückgebliebenen Idioten, die mit der Gegenwart auf Kriegsfuß stehen. Ewiggestrige eben.
Das ist kurzum eine Verleumdung der wahren Absichten. Denn auf Leute, die so zurückgebliebenen sind, muss man schließlich nicht hören. Sie diskreditieren sich von alleine. Wer die Globalisierung ablehnt, wie es die Bezeichnung in Aussicht stellt, der hat ja offenbar nichts begriffen. Der lebt anno dazumal. Und da die Dinge mit ihrem Namen stehen und fallen, sehen die Typen von Attac oder Occupy plötzlich alle aus wie Einfaltspinsel, die noch immer die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben. Und engagierte Bürger, die sich gegen den Sozialabbau stellen, wirken als »Modernisierungsverweigerer« nicht mehr engagiert, sondern seltsam veraltet. Wie Querulanten am Zeitgeist.
Dass ihre Verweigerungshaltung gegen die gesellschaftliche Verarmung allerdings auch so ein Stückchen Zeitgeist ist, liest man dann nicht mehr heraus. Soll man ja auch nicht. Sie sollen aussehen wie die, die dem Fortschritt im Wege stehen. Und wer mag solche rückständigen Menschen schon?
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