Cottbuser zahlten einen schrecklichen Preis
Beim Luftangriff am 15. Februar 1945 starben 1000 Einwohner, aber auch zahllose Flüchtlinge und Verwundete
Als die 459 schwer beladenen »Fliegenden Festungen« der US Air Force gegen Mittag an jenem Februartag aus großer Höhe ihre Bombenlast abwerfen, nützen der Stadt ihre fieberhaften Vorbereitungen auf den Ernstfall nicht mehr allzu viel. Der Bomberverband hatte das Hydrierwerk Schwarzheide angreifen und die dortige Kraftstoffproduktion zerschlagen sollen, war wegen schlechter Sicht aber umgeleitet worden.
In Cottbus, das vor dem Krieg mehr als 53 000 Einwohner zählte, herrscht, soweit es die katastrophale Kriegslage zulässt, Arbeitsalltag. Einheimische, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene schuften in der Rüstungsindustrie. Bei der Focke-Wulf GmbH werden fieberhaft Jagdflugzeuge Fw 190 montiert, und die Mechanischen Werke Cottbus bauen Halbketten-Zugmaschinen für die Wehrmacht. Es gibt drei Militärflugplätze in der Stadt und ihrem Umfeld. Auf dem Bahngelände des für den Nachschub der nahen Neiße-Front unentbehrlichen Verkehrs- und Umschlagknotens stauen sich Flüchtlingstransporte, Sanitätszüge voller Verwundeter, Truppentransporte und Munitionszüge. Kasernen, Krankenhaus- und Lazaretteinrichtungen in der Stadt sind überfüllt.
Den Bombern wird Cottbus als kriegswichtiges Ausweichziel zugewiesen. Angriffsschwerpunkt ist das Bahngelände. Ab 11.51 Uhr schlagen 1064,5 Tonnen Bomben Schneisen der Verwüstung in die kaum verteidigte Stadt. Die Bombenteppiche töten unterschiedslos. Sie zerstören Wohn- und Verwaltungsgebäude, im Krankenhaus zerreißen Explosionen 40 Patienten und Pfleger. 39 weibliche Häftlinge sterben, als das Frauenzuchthaus getroffen wird.
Das schlimmste Massakter richten die Sprengbomben am Bahnhof an. Wegen des Mangels an Lokomotiven und Personal werden die Züge zu langsam abgefertigt. Als die Sirenen heulen, stehen Züge mit verwundeten Soldaten und mit Kindern, die nach Westen in Sicherheit gebracht werden sollen, neben Militärtransporten. Als ein Munitionszug getroffen wird, sterben in dem Inferno 300 Soldaten und Hunderte Kinder, berichten Chronisten. Die Stadt Cottbus war ab 1940 wiederholt angegriffen worden, doch der Schlag vom 15. Februar 1945 zählt zu den schlimmsten alliierten Bombenangriffen auf eine Stadt in Brandenburg. Einen Monat nach dem Angriff meldet die Ordnungspolizei 1048 Tote, 2500 Verwundete und 13 000 Obdachlose. Im Jahr 1972 gibt die Stadtverwaltung die Zahl der getöteten Einwohner mit 910 an. Manche Quellen sprechen von insgesamt 3000 Todesopfern. Ein Fünftel des Wohnraums ging verloren, 14 Fabriken wurden zerstört. Doch schon nach einer Woche verkehren wieder durchgehende Züge zwischen Front und Hinterland.
Am 21./22. April 1945 eroberte die Rote Armee die fast verwaiste, stark zerstörte Stadt. Bis die NS-Führung schließlich aufgab, starben nochmals Tausende Menschen.
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