Geburtsstation soll sterben

Bad Belzig fühlt sich von Entscheidung der Klinikleitung hintergangen

  • Olaf Präger
  • Lesedauer: 5 Min.
Eine Entscheidung der Krankenhausgesellschaft und des Gesundheitsministeriums hat den Widerstandsgeist der Bad Belziger geweckt. Die baldige Schließung der Geburtshilfe nehmen sie nicht hin.

Bereits Mitte Januar sickerten die ersten Informationen durch, die sich in der Kreisstadt von Potdam-Mittelmark ausbreiteten wie ein Lauffeuer. Seit dem 28. Januar ist es nun auch amtlich: Die Geburtshilfestation in Bad Belzig soll ab dem 1. April geschlossen werden. Das verantwortliche Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum sehe keine andere Möglichkeit, als die Geburtshilfe in Bad Belzig zum 31. März 2015 einzustellen, ließ Geschäftsführer Steffen Grebner wissen. Für Landrat Wolfgang Blasig (SPD) - dem Landkreis Potsdam-Mittelmark gehören 25,1 Prozent der Anteile an der Krankenhaus-GmbH - ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man nicht mehr anders könne. Es sei aber für ihn »kein glücklicher Tag«, sagte er.

Mit solchen Ankündigungen haben die Bad Belziger in der Vergangenheit manche Erfahrungen sammeln müssen. 2007 wurde das Kreiskrankenhaus in einem intransparenten Verfahren privatisiert. Vor zwei Jahren dann wurde die Kinderstation geschlossen. Die Geschäftsführung ließ mitteilen, die Station sei wirtschaftlich nicht mehr zu betreiben.

Die Begründungen der Klinikleitung für die nun beabsichtigte Schließung klingen ähnlich. Zum einen sei es laut Grebner nicht gelungen, Fachärzte für Bad Belzig zu gewinnen, obwohl ein Headhunter damit beauftragt worden sei. Auch Hebammen - so seine Formulierung - seien »Mangelware«. Zudem sinke die Anzahl der Geburten. Kamen im Jahr 2011 noch 257 Kinder in Bad Belzig zur Welt, so sank die Zahl der Neugeborenen 2014 erstmals unter 200. 185 Kinder erblickten 2014 in Belzig das Licht der Welt. Allerdings gingen immer mehr Frauen zur Geburt in die Krankenhäuser Brandenburg, Wittenberg oder Potsdam.

Ein in den letzten Tagen stets gehörter Vorwurf an die Betreibergesellschaft lautet, sie selbst habe dafür gesorgt, dass viele junge Eltern Alternativen zur hiesigen Geburtsstation in den größeren Städten der Umgebung suchten. Immer wieder fehlten vor Ort Fachärzte, die die leitende Oberärztin, die auch noch für die Gynäkologie die Verantwortung trägt, hätten unterstützen können. Das knabberte am Vertrauen in die Station. Sich abzeichnende schwierige Fälle, etwa wenn das Alter der werdenden Mutter über dem Durchschnitt lag, mussten deswegen bereits an andere Häuser überwiesen werden. Für das Jahr 2014 schätzt man die Zahl solcher Risikogeburten auf 50 bis 70.

Weil dem Klinikum und dem Landkreis das Wohl von Mutter und Kind das höchste Gut sei, werde ein Shuttleservice eingerichtet, heißt es. Zudem könnten die Schwangeren in Potsdam ein Appartement nehmen und dort auf die Wehen warten.

Weil die Bad Belziger sich übergangen fühlten, vom Landrat, vom Klinikmanagement, aber auch vom brandenburgischen Gesundheitsministerium, sind diverse Aktionen gestartet worden. Es wurden Leserbriefe geschrieben, eine Facebookgruppe wurde gegründet sowie eine Onlinepetition initiiert.

Am vergangenen Donnerstagnachmittag folgten etwa 300 Menschen einem Aufruf, um zu demonstrieren. Einer der Initiatoren war der Kinderarzt Burkhard Kroll, der selbst eine Praxis führt, bis vor zwei Jahren aber auch als Vertragsarzt der Kinder- und der Geburtshilfestation zur Verfügung stand. Sein Vertrag wurde vom Ernst-von-Bergmann-Klinikum nicht verlängert.

Kroll nahm sich die Begründungen der Klinikleitung für die Schließung vor: Der Schritt sei »nicht alternativlos. Er ist lustlos und wahrscheinlich noch mehr als lustlos«. Natürlich, so Kroll weiter, gehen die Interessen von Potsdam und Bad Belzig weit auseinander. Aber: »Hier wollen wir unsere Kinder aufwachsen sehen, und hier wollen wir sie auch bekommen.« Dass nun in Potsdam ein vierter Kreißsaal mit Namen »Hoher Fläming« eröffnet werden soll, hält Kroll für zynisch. Auch den Shuttleservice und die Bereitstellung des Appartements ordnet er so ein. An Gesundheitsministerin Diana Golze (LINKE) gerichtet verspricht Kroll: »Sie werden angenehm überrascht sein, wie viele Ideen sich auftun im Dialog mit den Leuten von hier.«

Bürgermeisterin Hannelore Klabunde-Quast sagte zu den Demonstrationsteilnehmern: »Wir alle sind das Bürgerbündnis für den Erhalt der Geburtenstation!« Klabunde-Quast kündigte einen runden Tisch für den kommenden Donnerstag an, initiiert durch das Ministerium und mit dem Potsdamer Mutterhaus der Klinik. Im Dialog zwischen der Stadt, ihren Bürgern, dem Ministerium und den Eigentümern sollen Möglichkeiten gefunden werden, wie die Geburtshilfe doch noch zu retten ist.

Felix Feil aus Oldenburg in Holstein ist extra zur Demonstration nach Bad Belzig gekommen. Er habe das letzte halbe Jahr nur damit verbracht, so Feil, andere Orte zu unterstützen, die ebenfalls vor Schließungen der Geburtshilfe standen beziehungsweise stehen. Die Begründungen klingen immer gleich, doch nach einiger Zeit haben sie keinen Bestand mehr.

»Wie kann man denn den Bevölkerungsrückgang auf dem Lande begegnen?«, fragte die Ortsvorsteherin von Reetz, Marion Glante. »Doch sicher nicht dadurch, dass man die Geburtshilfe des Krankenhauses schließt!« Sie hoffe, dass die Station bestehen bleibt und die Schließung zum 1. April nur ein schlechter Aprilscherz sei, sagte Glante.

Die Linksfraktion von Bad Belzig warf die Frage auf, ob das Problem für die Region »für die Geschäftsführung des Ernst-von Bergmann-Klinikum Teil der Strategie« sei. »Das intransparente Vorgehen lässt uns leider davon ausgehen, dass von vornherein die Auslastung des Potsdamer Klinikums verbessert werden sollte.« Damit würden alle Aktivitäten und Projekte, um junge Menschen in der Region zu halten, konterkariert.

Die Geburtsstation stand vor zwei Jahren schon einmal zur Disposition, als es um die neue Krankenhausplanung des Landes Brandenburg ging. Denn formal soll es solche Stationen mit weniger als 300 Geburten nicht geben. Die damalige Gesundheitsministerin Anita Tack (LINKE) fällte aber die politische Entscheidung, dass Bad Belzig seine Station erst einmal behalten soll und im ersten Quartal 2015 neu nachgedacht wird. Nun sieht es so aus, als sei das Nachdenken ausgefallen. Aber vielleicht beginnt es ja wenigstens mit dem Runden Tisch am Donnerstag.

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