Zehn Extra-Meilen an der roten Linie

SYRIZA hofft, Berlin drängt, EZB dementiert: Europa sucht Einigung über Kreditprogramm für Griechenland

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Vor dem Sondertreffen der Eurogruppe zur Verlängerung des Kreditprogramms für Griechenland haben sich auf europäischer Bühne Skepsis und leichter Optimismus die Waage gehalten. Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis erklärte vor den Gesprächen, die am Freitag mehrfach nach hinten verschoben wurden, »hoffentlich kommen wir mit etwas weißem Rauch heraus«. Die SYRIZA-geführte Regierung sei »nicht nur eine Extra-Meile gegangen, sie ist zehn Extra-Meilen gegangen. Und nun hoffen wir, dass unsere Partner uns nicht in der Mitte, sondern auf einem Fünftel des Weges treffen.« Mit einer Einigung noch am Abend war kurz vor Redaktionsschluss nicht gerechnet worden.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) sah gute Chancen für eine Einigung. Er attestierte Athen, einen großen Schritt auf die EU zugegangen zu sein. Den Eindruck, sie habe sich im Streit um das Kreditprogramm zu einem Kurswechsel zwingen lassen, hatte SYRIZA zuvor zurückgewiesen. »Wir haben unsere roten Linien nicht überschritten«, so Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis.

Bisher scheiterte eine Annäherung vor allem an der kompromisslosen Haltung der Bundesregierung. Zwar zeigte sich Kanzlerin Angela Merkel am Freitag durchaus kompromissbereit. Das schnelle Nein von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der den Antrag aus Athen auf Verlängerung des Kreditprogramms am Donnerstag umgehend zurückgewiesen hatte, sorgte auch am Freitag weiter für Debatten.

Dies sei »nicht diplomatisch« und eine »Überreaktion« gewesen, sagte der SPD-Finanzexperte Carsten Schneider. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter erklärte, die bisherigen Vereinbarungen mit Griechenland hätten nicht den erhofften Erfolg gebracht. »Deswegen ist es klug, sie zu ändern.« Die Linkspartei warnte die Bundesregierung davor, bei den anstehenden Verhandlungen mit Griechenland »starrköpfig an den bestehenden Abmachungen festzuhalten«. Denn genau diese hätten die Schuldentragfähigkeit des Landes weiter verschlechtert, kritisierte Fraktionsvize Sahra Wagenknecht. Ähnlich äußerte sich Parteichef Bernd Riexinger. Auch die Jusos forderten die Bundesregierung zu einem Kurswechsel in der europäischen Krisenpolitik auf.

Zuvor war ein internes Papier der Bundesregierung bekanntgeworden, in dem diese den Antrag aus Athen als »trojanisches Pferd« bezeichnet. Es wird darin zudem die vollständige und den umstrittenen Kürzungsauflagen der Gläubiger entsprechende Beendigung des laufenden Kreditprogramms gefordert. Auch solle SYRIZA die Abstimmung über soziale Reformen im Parlament stoppen. Derweil machten Politiker der Union und der Rechtspartei AfD weiter Front gegen Griechenland. Ein Grexit - das Ausscheiden des Landes aus dem Euro - sei verkraftbar, sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder. »Jeder muss seine Rechnungen vollständig bezahlen, auch Athen. Die neue sozialistische Regierung versucht nur zu taktieren«, so der CSU-Politiker.

Unterdessen hat die Europäische Zentralbank erklärt, sie werde sich nicht an Spekulationen über angebliche Pläne für den Fall eines Grexits beteiligen. Zuvor war berichtet worden, dass die EZB bereits intern Planspiele dazu durchführe. Auch Gerüchte, die EZB habe die griechische Regierung dazu gedrängt, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, wurden dementiert. Nicht zuletzt angesichts der Gerüchte über ein Scheitern der Verhandlungen mit Athen haben viele Griechen ihre Erspartes von den Banken des Landes abgehoben. nd Seiten 3, 4 und 20

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.