EU-freundlich - so lange es einem nützt

Thüringen-Monitor ergibt: 35 Prozent gegen Ausländer

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Erfurt. Die Thüringer Bevölkerung hat tendenziell eine EU-freundliche Einstellung - solange die Europäische Union ihr selbst nützt. Das geht aus dem aktuellen Thüringen-Monitor zu politischen Einstellungen im Land hervor, der am Dienstag in Erfurt vorgestellt wurde. Autor Professor Heinrich Best von der Universität Jena sprach von vorrangig nationalen Interessen bei einer großen Mehrheit der befragten Bürger. So wollten mehr als 71 Prozent den Euro behalten - nur 27 Prozent dagegen aber für die Schulden anderer Länder einstehen.

Insgesamt ergibt sich ein sehr widersprüchliches Bild. Vier von fünf Befragten waren der Ansicht, dass die Interessen Deutschlands in Europa »überwiegend« oder »voll und ganz« gut vertreten werden. Die Europäische Union bedeute für die meisten Befragten Frieden, Solidarität zwischen den Mitgliedsländern und wirtschaftlichen Wohlstand. Der Monitor »Die Thüringer als Europäer« basiert auf einer Umfrage von 1005 Bewohnern des Freistaates im Mai 2014.

Die Erhebung, so Best, habe jedoch auch deutliche europakritische Ergebnisse erbracht. 82 Prozent der Befragten - und damit vier Prozent weniger als bei der Zustimmung zu Frieden - hätten die EU vor allem mit mehr Bürokratie verbunden. Als weitere Negativ-Antworten seien Geldverschwendung (70 Prozent) und mehr Kriminalität (54 Prozent) genannt worden. Nur acht Prozent der Thüringer fühlen sich dem Monitor zufolge in erster Linie als Europäer.

Knapp die Hälfte der Befragten bekannte sich vorrangig als Thüringer, 27 Prozent als Deutsche und 14 Prozent primär als Ostdeutsche. Gleichwohl seien die Befunde kein Ausdruck von Europafeindlichkeit, betonte der Soziologe. Vielmehr gebe es zu Europa und den Folgen für die Thüringer trotz der Ambivalenzen und Widersprüche »eine tendenziell freundliche Grundstimmung«.

Zur politischen Kultur im Freistaat als Schwerpunkt der alljährlichen Erhebungen seit dem Jahr 2000 registriert der jüngste Monitor eine zunehmende Zufriedenheit mit der Demokratie und ein wachsendes Vertrauen in Institutionen. Für die Zustimmung zu explizit rechtsextremen Haltungen wird mit zehn Prozent der niedrigste Wert überhaupt ausgewiesen. Dem widersprechen andere Umfrage-Ergebnisse jedoch massiv: Bei »gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« liegt die Abwertung Langzeitarbeitsloser mit 53 Prozent an der Spitze, gefolgt von Islamfeindlichkeit (47) und Feindlichkeit gegenüber Asylbewerbern (45). Zu Ausländerfeindlichkeit allgemein bekannten sich 35 Prozent. 23 Prozent waren gegenüber Homosexuellen feindlich eingestellt, für Antisemitismus wurden zwölf Prozent ermittelt.

Zu politischen Schlussfolgerungen aus dem jüngsten Thüringen-Monitor hat Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) für Donnerstag eine Regierungserklärung im Erfurter Landtag angekündigt. Agenturen/nd

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