Zweifel an der Energiewende

Brandenburg war führend bei den erneuerbaren Energien, doch nun sinkt die Akzeptanz

  • Wilfried Neiße und
Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.
In Brandenburg verliert die Energiewende an Fahrt. Während das Land weiter auf Braunkohlestrom setzt, sinkt die Zustimmung zu erneuerbaren Energien. Und Erdgas aus Russland ist in Verruf geraten.

In der aktuellen Klimadebatte hat Brandenburg einen sehr schweren Stand, denn die Landesregierung hält an der Verstromung von Braunkohle aus der Lausitz fest. Zwar ist mittelfristig der Ausstieg des Landes aus der CO2-intensiven Technologie vorgesehen, doch einstweilen wird sie als sogenannte Brückentechnologie für die Grundversorgung von Wirtschaft und Privathaushalten für unverzichtbar erklärt. Und so werden immer neue Landstriche für die Tagebaue aufgegeben, damit Großkraftwerke weiter Strom liefern können.

Seit vielen Jahren fordern nicht nur Umweltschützer und deren Verbände den Kohleausstieg und die Nutzung alternativer Energiequellen, der Ausbau der Windkraft- und Photovoltaik-Technik ist in Brandenburg besonders weit vorangeschritten. Doch nun hat Wirtschaftsstaatssekretär Henrik Fischer darüber informiert, dass in Brandenburg die Zustimmung zur Energiegewinnung aus Windkraft und Sonnenlicht in der Bevölkerung stark sinke. Denn inzwischen zahle ein dreiköpfiger Haushalt in der Mark aufgrund der höheren Netzentgelte infolge der erneuerbaren Energien im Jahr für Energie 179 Euro mehr als einer in Düsseldorf. »Das ist irgendwann nicht mehr vermittelbar«, sagt Fischer.

Beim Versuch, mit anderen Bundesländern einen fairen Lastenausgleich zu vereinbaren, »sind wir in anderthalb Jahren keinen Zentimeter vorangekommen«, gibt der Staatssekretär zu. Am heftigsten trete Bayern auf die Bremse. Wenn sich der Schwerpunkt der deutschen Energieumwandlung aber künftig im Norden abspiele, werde dort auch die Wertschöpfung stattfinden. »Es kann nicht sein, dass in Brandenburg die Energiewende vorangetrieben und um Akzeptanz geworben wird, während Bayern den Netzausbau behindert und den Aufbau der Windräder blockiert«, kritisierte Fischer. Über eine sinkende Akzeptanz für die erneuerbaren Energien müsse sich dann niemand wundern. Schon zeigten sich konkrete Auswirkungen: Brandenburg sei heute unter den Bundesländern nicht mehr die Nummer Eins bei der Energiewende, betonte Fischer.

Insgesamt 25,8 Prozent der in Brandenburg verbrauchten Energie stamme bereits aus erneuerbaren Quellen. Die stünden aber zur Verfügung, »wenn Wind weht und die Sonne scheint«, erklärte Ulrich Floß von der Energie Mark Brandenburg GmbH kürzlich vor Wirtschaftsvertretern des Landes Brandenburg. Eine wirtschaftlich vertretbare Form der Energiespeicherung sei daher dringend erforderlich, aber trotz fieberhafter Suche noch nicht gefunden. Zwar sei es heute schon möglich, mittels Sonnenenergie Wasser in Wasserstoff als Speichermedium umzuwandeln. Doch sei der Wirkungsgrad dieser Technologie geradezu lächerlich gering.

Erdgas beziehe Deutschland aus so unterschiedlichen Quellen, dass man sich um die Versorgung eigentlich keine Sorgen machen müsse, betonte Floß. Doch werde es bei den Bezugsquellen Verschiebungen geben.

Zwei Gasleitungen aus dem Osten erreichen Brandenburg - in Schwedt die zu DDR-Zeiten errichteten Erdgastrasse »Drushba« (Freundschaft), in Frankfurt (Oder) die Gasleitung »Jarmal«. Zudem ende in Schwedt auch die 1963 eröffnete Erdölleitung »Drushba«. Als Nachteil erweise sich heute, dass beide Erdgasleitungen durch die Ukraine führen, merkte der Experte an. Aus der Geschichte lasse sich aber ableiten, dass Russland stabil und zuverlässig liefere. Dies sei nie auch nur ansatzweise durch aktuelle politische Spannungen beeinträchtigt gewesen. Rund 38 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases stammen aus Russland, 25 Prozent aus den Niederlanden, 23 Prozent aus Norwegen.

Der Anteil aus deutschen Förderstätten sei von einst 20 Prozent auf heute noch zehn Prozent gesunken. Wie es aussehe, werde der deutsche Anteil in Zukunft »auf Null gefahren«, mutmaßte Floß. Einen Grund dafür sieht er in der Debatte um die Gefahren des »Frackings« bei der Förderung. Beim »Hydraulic Fracturing« - kurz Fracking - wird mit Chemikalien versetztes Wasser in den Boden gepresst, um Risse im Gestein der Lagerstätten zu erzeugen, damit Erdgas zum Bohrloch strömen kann. Eine Form des Frackings sei auch in Deutschland praktiziert worden.

Zur Neige gehen laut Floß auch die Lieferungen aus den Niederlanden. Doch liege beispielsweise die Nordsee auf einem gewaltigen Gasfeld, und der Gastransport per Schiff sei inzwischen aus den Kinderschuhen heraus, so der Experte. Das Gas werde verflüssigt, in Schiffscontainer abgefüllt und könne so unabhängig von Pipelines transportiert werden.

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