Lob des ersten Schrittes - und Kritik daran
In der Linkspartei SYRIZA wird weiter über den Kompromiss mit der Eurogruppe debattiert / Offener Brief kritisiert Einigung / Tsipras verteidigt Einigung
Berlin. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis hat die Ungenauigkeit der Liste mit Maßnahmen verteidigt, welche die europäischen Gläubiger von der SYRIZA-geführten Regierung im Gegenzug für die Verlängerung des Kreditprogramms verlangt haben. Die Liste sei absichtlich unpräzise formuliert worden, um sich die Zustimmung aller Europartner zu sichern. Einige Kollegen aus der Eurozone hätten ihm mit Blick auf die Erstellung der Liste dazu geraten, darin keine präzisen Zahlen zu nennen, weil ansonsten die Zustimmung durch ihre Parlamente in Frage stehe. Um welche Minister es sich handelte, sagte er nicht. Inhaltlich sei das Papier von einer »produktiven Ungenauigkeit« geprägt, sagte Varoufakis am Freitag im Fernsehsender Antenna TV. »Wir sind stolz auf das Niveau der Ungenauigkeit«, fügte er hinzu.
Aus Regierungskreisen in Athen hieß es, der Kompromiss mit den europäischen Gläubigern sei »ein Schritt in die richtige, der bisher verfolgten Politik entgegengesetzten Richtung«. Dieser möge zwar klein sein, der SYRIZA-geführten Koalition sei es aber »gelungen, einer Austeritätsfalle zu entgehen«, die ihr von den Anhängern einer neoliberalen Krisenpolitik gestellt wurde.
Wie inzwischen aus der Sitzung der SYRIZA-Fraktion am Mittwochabend berichtet wurde, hat Ministerpräsident Alexis Tsipras dort sechs Punkte genannt, welche von Athen als Erfolge angesehen werden. Unter anderem habe man die Unterscheidung von Kreditvereinbarung und Memorandum (die Bedingungen der Gläubiger) durchgesetzt, auch sei gelungen, sich vom politischen Rahmenprogramm der Austeritätspolitik zu lösen. Ebenso bestünden die unrealistischen Verpflichtungen in Sachen Primärüberschuss nicht mehr, den Griechenland bisher in einer festgelegten Höhe erzielen sollte, um die Forderungen der Gläubiger zu bedienen. Es sei insgesamt gelungen, Versuchen einen Riegel vorzuschieben, »die darauf abzielten, das linke Regierungsparadigma mittels fiskalischer und wirtschaftlicher Engpässe zu einem Zwischenspiel werden zu lassen«, hieß es aus SYRIZA-Kreisen.
In einem Offenen Brief haben derweil die beiden SYRIZA-Politiker Dimitris Belantis und Stathis Kouvelakis die von Athen der Eurogruppe vorgelegte Liste mit den geplanten Maßnahmen kritisiert. Der Inhalt würde »nicht den wichtigsten Punkten unseres Wahlprogramms« entsprechen, heißt es in dem Schreiben. »Schlimmer noch: Die wichtigsten Punkte unseres Programms werden dadurch praktisch außer Geltung gesetzt.«
Als Beispiele nannten Belantis und Kouvelakis unter anderem die Vereinbarung, den Mindestlohn schrittweise statt in einem Zug auf das Niveau von 750 Euro anzuheben. Auch stehe diese Anhebung »unter dem Vorbehalt«, dass sie »die Wettbewerbsfähigkeit des Landes in der internationalen Konkurrenz nicht schwächt«. Zudem lasse sich »eine prinzipiell ablehnende Haltung zu den Privatisierungen« an keiner Stelle des Kompromisses finden. Kritisiert wird auch, dass die Maßnahmen für die Lösung der humanitären Krise »keine negativen finanzpolitischen Konsequenzen haben« dürfen.
Belantis und Kouvelakis widersprachen auch der Einschätzung, dass zwischen der Verlängerung des Kreditprogramms und dem Geist des in Griechenland verhassten Memorandums tatsächlich unterschieden werden könne. Laut dem Offenen Brief hätten in der SYRIZA-Fraktion 70 Parlamentarier für die Vereinbarung mit den Gläubigern gestimmt, 40 Abgeordnete seien dagegen gewesen, 30 hätten an der Abstimmung nicht teilgenommen. Zuvor hatte es allerdings geheißen, die Zahl der Kritiker sei deutlich geringer gewesen. Staatsminister Alekos Flambouraris war im griechischen Rundfunk mit den Worten zitiert worden: »Fünf Abgeordnete haben dagegen gestimmt. Fünf enthielten sich der Stimme.«
Am Wochenende kommt das Zentralkomitee von SYRIZA zusammen. Dann wird erneut über den Kompromiss mit den europäischen Gläubigern und die von der griechischen Regierung vorgelegte Liste mit Maßnahen diskutiert. vk
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