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Russische Justiz setzt nach Nemzow-Mord Belohnung für Hinweise aus

Tausende bei Trauermarsch für ermordeten Kremlkritiker / Opposition verzichtet auf ursprünglich geplanten Marsch gegen Politik von Kremlchef Wladimir Putin

  • Lesedauer: 4 Min.

Moskau. Nach dem Mord an dem Kremlkritiker Boris Nemzow hat die russische Ermittlungsbehörde drei Millionen Rubel (rund 45 000 Euro) Belohnung für Hinweise auf den Täter ausgesetzt. »Wir sind zur Auszahlung bereit, wenn die Tipps zur Klärung dieser Tat führen«, teilte die Behörde am Sonntag in Moskau mit. Das Innenministerium forderte mögliche Zeugen des Überfalls auf den Oppositionspolitiker auf, sich zu melden. Die Behörde garantiere Anonymität.

Nemzow war am späten Freitagabend von einem Unbekannten mit vier Schüssen in den Rücken getötet worden - in unmittelbarer Kreml-Nähe im Zentrum von Moskau. Die Bluttat löste international Empörung und Trauer aus. Die russischen Behörden gehen von einem Auftragsmord aus.
Mehrere Oppositionspolitiker forderten eine Gedenktafel für Nemzow am Tatort. »Als einer der wichtigsten russischen Politiker der vergangenen 20 Jahre hätte er das verdient«, sagte der Bürgerrechtler Alexander Tscherkassow der Agentur Interfax zufolge. Moskaus Vizebürgermeister Leonid Petschatnikow sagte, die Behörde sei bereit, einen solchen Antrag der Opposition zu prüfen.

Tausende Menschen bei Gedenkmarsch in Moskau

Am Sonntag haben sich in Moskau tausende zu einem Trauermarsch formiert. Menschen allen Alters, viele von ihnen mit Rosen und Nelken in den Händen, kamen im Gedenken an den Ex-Vizeregierungschef in das Stadtzentrum - bewacht von einem Großaufgebot an Sicherheitskräften. Auf Plakaten waren Aufschriften zu sehen wie »Ich fürchte mich nicht«, aber auch »Ich fürchte mich - wer ist der Nächste?«

Mitorganisator Alexander Riklin schätzte die Zahl der Teilnehmer auf mehr als 70.000, die Polizei sprach von mehr als 16.000 Demonstranten.

Die Stadtverwaltung hatte eine Kundgebung mit bis zu 50 000 Menschen genehmigt. Der von dem Oppositionsführer und Ex-Regierungschef Michail Kasjanow organisierte Marsch sollte am Sonntag auch über die Große Moskwa-Brücke am Kreml führen, wo Nemzow am späten Freitagabend mit vier Schüssen in den Rücken ermordet worden war. Die Tat löste international Trauer und Entsetzen aus. Am Tatort legten viele trauernde und weinende Menschen Blumen und Heiligenbilder nieder.

»Was ist aus Russland geworden?«, fragte Kasjanow entsetzt im Radiosender Echo Moskwy. Die Tragödie um Nemzow zeuge davon, dass die Aggression zunehme in Russland. Viele Wegbegleiter von Nemzow sprechen mit zitternder Stimme von einem großen Verlust für demokratisch denkende Menschen im größten Land der Erde.

Auf einen ursprünglich für Sonntag geplanten Marsch gegen die Politik von Kremlchef Wladimir Putin hatte die Opposition verzichtet.

Der Moskauer Fernsehsender TWZ veröffentlichte unterdessen ein Überwachungsvideo vom Ort und von der Zeit der Tat. In der Aufnahme ist nach Darstellung des Senders zu sehen, wie sich Nemzow mit seiner Begleiterin am Freitag gegen 23.30 Uhr (21.30 Uhr MEZ) auf der Brücke bewegt und von einem Mann verfolgt wird. Eine Kehrmaschine verdeckt dann die Sicht auf das Paar und den Mann. Wenig später ist zu sehen, wie der mutmaßliche Täter in ein Auto steigt und flieht. Etwa zehn Minuten danach kommt die Polizei. Nemzows Begleiterin ist unverletzt.

Die aus der Ukraine stammende Frau halte sich bei einem Bekannten von Nemzow in Moskau auf und stehe unter Polizeischutz, sagte ein Anwalt. Es handele sich um eine wichtige Zeugin. Die Frau wolle sobald wie möglich nach Kiew zurückkehren, teilte die ukrainische Regierung mit.

Die russischen Behörden gehen von einem Auftragsmord aus. Nemzow gehörte zu den schärfsten Gegnern von Präsident Putin. Nur wenige Stunden vor seiner Ermordung hatte er seine scharfe Kritik an dem Kremlchef bekräftigt. »Der gewichtigste Grund der Krise ist, dass Putin eine sinnlos aggressive, für unser Land und für viele Bürger tödliche Politik des Krieges gegen die Ukraine begonnen hat«, sagte der 55-Jährige dem regierungskritischen Radiosender Echo Moskwy in seinem wohl letzten Interview. Die Anwesenheit russischer Truppen im Donbass nannte er »bewiesen«. Der Kreml bestreitet dies.

»Um das Land in Ordnung zu bringen und die Krise zu bewältigen, sind wirkliche politische Reformen erforderlich«, forderte Nemzow in dem Gespräch. Konkret seien etwa faire Wahlen nötig. »Die Zensur muss beendet werden, um diese elende Lügenpropaganda zu stoppen, die der russischen Bevölkerung den Verstand verdreht hat«, sagte er.

Die Bluttat löste international Empörung und Trauer aus. Putin selbst hatte den Mord als Provokation verurteilt. Die nationale Ermittlungsbehörde warnte angesichts einer Vielzahl von Fernsehberichten vor einer »Desinformation« der Öffentlichkeit. So wies Ermittlungssprecher Wladimir Markin einen TV-Bericht zurück, nachdem angeblich das Fluchtauto gefunden worden sei. dpa/nd

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