Vom Traum, Deutsche zu werden

Sechs Ausländer traten jetzt in Fürstenwalde zum Sprachtest für ihre Einbürgerung an

  • Sybille Gurack
  • Lesedauer: 5 Min.
Wenn sie die Sprache beherrschen und knifflige Dinge wissen, wenn sie mindestens acht Jahre hier leben und selbst Geld verdienen, dann bekommen Zaneta Bannert und Thi Ngoan Pham einen deutschen Pass.

Jetzt warten sie auf ihre Testergebnisse. Frühestens in dreieinhalb Wochen werden sie erfahren, ob sie bestanden haben. Sechs ausländische Bürger aus Rüdersdorf, Neuhardenberg (Märkisch-Oderland) und Fürstenwalde (Oder-Spree) absolvierten am Wochenende in Fürstenwalde die B1-Sprachprüfung. Sie ist der erste große Schritt, wenn man die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen will. Viermal im Jahr wird der Sprachtest in Fürstenwalde angeboten. Pro Jahr absolvieren in ganz Deutschland etwa 140 000 ausländische Bürger diesen Test bei der telc gGmbH.

Dabei sind zum Beispiel nach dem Lesen von kurzen Texten Aufgaben zu lösen, um zu beweisen, dass man den Inhalt richtig erfasst hat. Außerdem werden Telefonate simuliert. Eine Person beschreibt einen Weg und die Prüflinge müssen reagieren. Dann erhalten sie einen Brief und haben 30 Minuten Zeit, um eine Antwort zu formulieren. Dabei muss das Datum korrekt platziert sein und die Anrede stimmen, und auf alle im Brief aufgeworfenen Fragen ist in einem möglichst fehlerfreien Deutsch einzugehen. Zum Beweis ihrer Fähigkeiten im mündlichen Ausdruck müssen sich meistens jeweils zwei Prüflinge einander wortreich vorstellen und sich miteinander über ein vorgegebenes Thema unterhalten. Diesmal galt es, die Organisation einer Feier zu besprechen. Die Testergebnisse werden wie immer in der Zentrale der telc gGmbH in Frankfurt am Main ermittelt. Die GmbH ist eine Tochtergesellschaft des Deutschen Volkshochschulverbandes.

Für einen jungen Mann aus Neuhardenberg stellte der Test am Sonnabend überhaupt keine Hürde dar. Er kam in Polen zur Welt, ist aber in Deutschland aufgewachsen, spricht akzentfrei Deutsch und strebt die doppelte Staatsbürgerschaft an. Den Einbürgerungstest, bei dem Kenntnisse der Geschichte, Kultur und Politik Deutschlands abgefragt werden, hat er schon gemeistert. »Wenn man Allgemeinbildung hat und sich für Politik interessiert, ist das alles kein Problem.«

Der Einbürgerungstest wird monatlich in Fürstenwalde und Eisenhüttenstadt angeboten und ist wegen der teilweise sehr speziellen Fragen gefürchtet. Sehr viele Einheimische hätten bei der Beantwortung des Fragenkatalogs sicherlich auch ihre Schwierigkeiten. Von 310 möglichen Fragen müssen in 60 Minuten 33 beantwortet werden. Gefragt wird zum Beispiel nach den Farben der Fahnen deutscher Bundesländer.

Bis zu diesem Test ist Hoss Ain Billal aus Bangladesh noch gar nicht gekommen. Er lebt in Fürstenwalde und wünscht sich einen deutschen Pass. Dreimal hat er schon am Sprachtest teilgenommen und dreimal ist er durchgefallen. Mehr als 2000 Euro hat ihn das bereits gekostet. Billal spricht und versteht ganz gut Deutsch. Er scheitert jedoch an der Grammatik. Für einen neuerlichen Versuch fehlt dem Familienvater momentan der Optimismus und die gesundheitliche Verfassung. Seit dem 27. Dezember 1990 lebt er schon in Deutschland. Das Datum vergisst er nie. Er fand Arbeit auf dem Bau, schleppte Material, verlegte Pflastersteine, lernte Gabelstapler fahren. Als es einmal hieß, dass er zurück nach Bangladesh müsse, setzte sich sein Chef für ihn ein. »Der arbeitet hier hart für sein Brot«, hat der Chef gesagt und Billal durfte bleiben, arbeitete und zahlte Steuern. Jetzt ist er herzkrank, und ohne eigenen Verdienst ist er nicht berechtigt, einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen.

Das gleiche Problem hat Thi Ngoan Pham aus Vietnam. Auch sie möchte die deutsche Staatsbürgerschaft haben. Von September bis Dezember 2014 hat sie werktags jeden Vormittag dreieinhalb Stunden an einem Integrationskurs teilgenommen. »Ich habe viel gelernt und mir auch viel selbst erarbeitet. Ist auch gut, soviel zu wissen«, sagt sie. Am 10. März 2015 wird sie ihr Zertifikat erhalten. Aber ein Pass ist es nicht. Sie hat einen vietnamesischen Pass. Sie ist verheiratet und hat zwei in Deutschland geborene Söhne. Momentan ist es ihr aber nicht möglich, eine Arbeit nachzuweisen und gleichzeitig die Kinder zu betreuen, die eineinhalb und acht Jahre alt sind.

Zaneta Bannert träumt seit 27 Jahren von einem eigenen deutschen Pass. Als 18-Jährige kam die Polin am 7. November 1988 ins Land. Auch sie erinnert sich an dieses Datum noch ganz genau. Zaneta Bannert wollte drei Monate lang Geld verdienen im Fürstenwalder Reifenwerk. Dann lernte sie ihren heutigen Mann kennen und hat mittlerweile mit ihm vier Söhne. Warum ihr der Pass so wichtig ist? »Hier ist mein Leben. Ich gehöre hierher«, sagt sie. Praktisch sei es aber auch belastend, den Alltag ohne deutschen Pass zu meistern. Wolle sie ein Konto eröffnen oder das Auto anmelden, immer müsse sie eine Meldebescheinigung vom Bürgerbüro anfordern und bezahlen, denn im polnischen Pass steht ihre deutsche Adresse nicht.

Als die Kinder aus dem Gröbsten heraus waren, qualifizierte sich Zaneta Bannert zur Pflegeassistentin und arbeitet heute in drei Schichten in einer Wohngemeinschaft für Demenzkranke. Sie kann also eine geregelte Beschäftigung nachweisen. Wie vorgeschrieben acht Jahre in Deutschland gelebt hat sie auch. Vielleicht wird sie also im August tatsächlich in Potsdam beim zentralen Einbürgerungsfest tanzen, das der brandenburgische Landtag alljährlich im Sommer ausrichtet.

Der Antrag auf Einbürgerung kostet 15 Euro. Die Höhe der Kosten für den Sprachtest schwanken. Sie liegen in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich hoch, in der Regel kostet solch ein Test um die 120 Euro. Weitere 25 Euro muss man für den Einbürgerungstest bezahlen. Erforderlich sind auch Lichtbilder, die um die zwölf Euro kosten. Zuletzt ist auch noch eine Bearbeitungsgebühr für das Einbürgerungsverfahren zu zahlen. Sie beträgt grundsätzlich 255 Euro pro Person.

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