Das pure Luftschlossregiment
Nach jahrelangen Verhandlungen ist der Hubschrauber-Deal perfekt - daneben gegangen
Die Bundeswehr bekommt 82 NH90-Transport-Hubschrauber für das Heer - statt 122, die ursprünglich vereinbart waren. Gut so? Kaum. Das Verteidigungsministerium ließ sich auf die Zahlung von Einmalkosten in Höhe von 53 Millionen Euro ein. Die seien notwendig, um die Stückzahlreduzierung durchzubringen. Zugleich verzichtet man auf das Eintreiben von Vertragsstrafen in Höhe von 58 Millionen Euro sowie die Vereinbarung neuer Vertragsstrafen. Gemäß dem neuen Plan soll die Lieferung der NH90 im Jahr 2021 beendet werden. Man kann das glauben; Erfahrung lehrt indessen zu zweifeln.
Weiter geht es um 40 «operationell einsetzbare» «Tiger»-Kampfhubschrauber. Vertraglich vereinbart war ursprünglich eine Stückzahl von 80. Doch nach der Bundeswehr-Strukturreform werden nur 40 gebraucht. Also legt man 22 Helikopter zur «Hochwertersatzteilgewinnung» still und schlachtet sie aus. Einer geht zur Erprobung an die Wehrtechnische Dienststelle 61, vier werden zur Ausbildung genutzt, zwei nimmt man wegen Mängeln gar nicht erst ab. Was hat der Steuerzahler davon? Es werden weniger Ersatzteile bestellt.
Und dann gibt es noch einen ganz speziellen Deal: Weitere 22 NH90 sollen nach Abschluss eines bei Verbündeten eingeleiteten Interessenbekundungsverfahrens für die Aufstellung eines multinationalen Hubschrauberverbands gemeinsam genutzt werden, sagt das Verteidigungsministeriums. Die für Rüstung zuständige Staatssekretärin Katrin Suder begründet das so: «Ziel ist, in Europa eine höhere Verfügbarkeit von Hubschrauberkräften für die Aufgabe ›Forward Air Medical Evacuation‹ und zugehörigen taktischen Lufttransport für Einsatz und Übung zu erreichen.»
Doch das ist bislang pures Träumen, denn: «Die konzeptionellen Detailplanungen, wie Konkretisierung des Auftrags..., Beschaffungsmodalitäten, Personalstärken und Rechtsform sollen voraussichtlich bis Mitte des Jahres abgeschlossen werden.» Und Suder erwähnt: «Erste Nationen haben bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert.» Nach Vorstellungen des Bendler-Blocks soll Beschaffung und Betrieb der multinationalen Helikopter-Einheit in Regimentsstärke mit rund 400 Soldaten im «multinationalen »burden sharing« erfolgen. Man will also Lasten teilen. Ob die anderen noch völlig unbekannten Partner das auch wollen? Einerlei, »seitens des Bundesministeriums der Verteidigung (ist) derzeit vorstellbar, dass Deutschland auf diesem Gebiet in Vorleistung treten könnte«.
Zum mehrfach merkwürdigen Hubschrauber-Deal gehört auch, dass der NH90 - nebst zahlreichen Minderleistungen - zumindest einen wesentlichen »Designfehler« hat. Das bestätigt die Industrie und kann nicht sagen, bis wann die möglicherweise tödliche Fehlfunktion ausgemerzt werden kann. Im Ernstfall fallen die Hubschrauber - wie um Juni 2014 nahe dem usbekischen Termez geschehen - vom Himmel. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei eine Fehlbedienung die Ursache für den Triebwerksausfall gewesen, hieß es aus dem Ministerium, das den Hubschraubertyp erst vor zwei Wochen - nach Rat der Industrie - wieder zum Routineflugbetrieb zugelassen hat. Zuvor hatte man neue Gebrauchsanweisungen ausgegeben und die Piloten zur Vorsicht gemahnt.
Eine einzige Katastrophe ist auch der zu beschaffende Marinehubschrauber NH90 »Sea Lion«. 18 soll die Marine bekommen. Die Maschinen rosten und sind laut internationaler Vorschrift auch nicht für den Einsatz auf offener See zugelassen. Was tut man dagegen? Man hofft, internationale Vereinbarungen irgendwie überlisten zu können. Das ging schon bei der Aufklärungsdrohne »EuroHawk« schief. In Sachen Material verlässt man sich auf die Zusage von Airbus, dass der Hersteller alles unternehme, um die Korrosion auf »das übliche Maß« zu reduzieren und eventuell auftretende Schäden auf eigene Kosten auszubessern. Was das »übliche Maß« ist, wurde freilich nicht definiert.
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