Billig-Vergabe statt Tariflohn

Die Regio-Kliniken im schleswig-holsteinischen Kreis Pinneberg servieren ihre Servicekräfte ab - noch sammelt ver.di Unterschriften, denkt aber auch über Streiks nach

  • Olaf Harning
  • Lesedauer: 3 Min.
Desaströse Folge von Privatisierungen: Die Regio-Kliniken wollen Servicebereiche wie Reinigung und Küche schließen und die Aufgaben an Ausgründungen vergeben. Rund 350 Arbeitsplätze wären betroffen.

»Wir suchen Sie!« In großen Lettern wirbt die Regio Kliniken GmbH derzeit um Krankenpflegepersonal, verspricht dabei »attraktive tarifliche Bezahlung«. Mit seinen Servicekräften geht der Gesundheitsdienstleister weniger pfleglich um: Unrentable Bereiche wie Reinigung, Küche oder der Patiententransport sollen bis zum Sommer abgewickelt, deren Aufgaben künftig an Ausgründungen der Konzernmutter vergeben werden.

Nach Angaben des ver.di-Bezirks Pinneberg-Steinburg wollen die Verantwortlichen sämtliche dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst unterliegenden Servicebereiche, aber auch die eigene Billigtochter PKS, zum 1. Juli 2015 schließen. Rund 350 Arbeitsplätze wären davon betroffen, zum Großteil Beschäftigte mit langer Betriebszugehörigkeit. Die könnten sich im Anschluss zwar bei den neuen Auftragnehmern bewerben, würden dort aber nicht nur bis zu 1000 Euro im Monat weniger verdienen, sondern auch der Willkür des neuen Arbeitgebers unterliegen. »Da wird es dann heißen: Du bist alt, Du bist schlecht, Du bist krank«, umreißt ver.di-Sekretärin Heike Maser-Festersen die üblichen Auswahlkriterien. »Aber so geht man nicht mit Menschen um.« Um das zu vermeiden, fordert sie nun Alternativen zur Schließung, zumindest aber die Anerkennung eines Betriebsübergangs mit all seinen Schutzmechanismen. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, hat ver.di im Unternehmen 500 Unterschriften für den Erhalt der Einrichtungen gesammelt, denkt auch über Streiks nach.

Vordergründig sind die Schließungspläne eine Reaktion auf aktuelle, wirtschaftliche Entwicklungen und den Wettbewerb - im Hintergrund aber geht es auch um die desaströs verlaufene Privatisierung der Pinneberger Kreiskrankenhäuser. Erst 2004 waren die kriselnden Kliniken in Elmshorn, Wedel und Pinneberg selbst unter einem Dach zusammengefasst worden, 2006 sollte ein Masterplan die Dinge richten. Doch die Verantwortlichen um den damaligen Landrat Wolfgang Grimme (CDU) und den später wegen Untreue verurteilten Regio-Geschäftsführer Alexander Schlick waren mit der Konsolidierung heillos überfordert: Nach massiven Zukäufen und einem umstrittenen Immobiliendeal, stiegen die Schulden stattdessen noch einmal kräftig an. 2009 wurde das Unternehmen schließlich an die Sana Kliniken AG verkauft - nur ein Viertel der Anteile verblieb beim Kreis.

Schon damals hatte eine Konzernsprecherin angekündigt, dass die Dienstleistungsbereiche der Regio-Kliniken überprüft und gegebenenfalls optimiert würden. »Ob damit auch ein Abbau von Arbeitsplätzen einhergeht, ließ sie offen«, war in den »Uetersener Nachrichten« zu lesen. Der das schrieb, war Sebastian Kimstädt, ist heute Pressesprecher der Regio-Kliniken und begründet die »Reorganisierung des Dienstleistungsbereiches« mit Wettbewerbsdruck und den genannten Altlasten: »Die Regio-Kliniken haben seit ihrer Gründung keine schwarzen Zahlen geschrieben«, beklagt er. Außerdem hätten sich viele der 42 konkurrierenden Kliniken im Umland schon längst neu - soll heißen: billiger - aufgestellt. Und während man als ehemals kreiseigenes Unternehmen den Auftrag habe, die Gesundheitsversorgung in der Fläche sicherzustellen, könnten Kliniken im nahen Hamburg auch noch höhere Fallpauschalen abrechnen.

Auch Herta Laages, Betriebsratsvorsitzende der Regio-Kliniken, kennt diese Schieflage, verweigert sich aber einer Lösung alleine auf dem Rücken der Beschäftigten. Um das Schlimmste zu verhindern, verhandelt ihr Gremium jetzt mit der Geschäftsführung über einen Sozialplan - und über Alternativen zur Schließung. Im ersten Anlauf ist das jäh gescheitert: »Alle unsere Vorschläge wurden abgelehnt«, sagte sie am späten Mittwochabend, »von sozialverträglichen Lösungen war nicht die Rede.«

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