Tsipras: EZB hält das Seil, das um unseren Hals liegt
Athen zahlt 310 Millionen an IWF zurück / Bericht: Juncker vertröstet Tsipras - Athen dementiert Bitte um Termin beim EU-Kommissionschef / Berichte über Zahlungsschwierigkeiten / Berlin sieht keine Grundlage für vorzeitige Auszahlung von Kredittranche
Update 16.35 Uhr: Grünen-Chefin Simone Peter hat rasche Finanzhilfen für Griechenland gefordert. Es reiche nicht, Griechenland immer nur kurz vor dem Sturz von der Klippe zu bewahren. Nötig sei eine echte Perspektive, sagte Peter am Freitag in Berlin. »Mit dem Schicksal von Rentnern, Beamten und Arbeitslosen darf nicht gespielt werden.« Deshalb müsse es jetzt eine zügige finanzielle Überbrückung für Griechenland geben, damit den Menschen im Land wieder regelmäßig ihr Gehalt gezahlt werden könne: »Alles andere sorgt nur für eine weitere Radikalisierung im Land.«
Update 14.45 Uhr: Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras hat angekündigt, die drohenden Lücken in der Staatsfinanzierung in den kommenden Wochen mit kurzfristigen Anleihen zu überbrücken. Gegenüber der Illustrierten »Spiegel« sagte der SYRIZA-Politiker laut einer Vorabmeldung, sollte die Europäische Zentralbank dem nicht zustimmen, übernehme sie eine große Verantwortung. »Dann kehrt der Thriller zurück, den wir vor dem 20. Februar gesehen haben.« Dies sei aber eine politische Entscheidung, »die nicht von Technokraten gefällt werden sollte«. Tsipras übte zudem Kritik an der von Mario Draghi geführten Institution: »Die EZB hält immer noch das Seil, das um unseren Hals liegt.«
Update 13.05 Uhr: Athen hat dementiert, dass es ein Treffen am Freitag mit dem EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker beantragt habe. »Es wurde kein Treffen (mit Juncker) vor der Eurogruppe-Sitzung am Montag beantragt«, sagte ein Mitarbeiter des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras der Deutschen Presse-Agentur am Freitag. Der Sprecher bestätigte jedoch ein Telefonat Tsipras-Jucker am Donnerstag. Dabei hätten beide vereinbart, sich vor dem nächsten EU-Gipfel am 19. und 20. März in Brüssel zu treffen. Dies werde in den kommenden Tagen geschehen. Auf der Tagesordnung stehe dann »die Nutzung Europäischer Mittel zur Bewältigung der humanitären Krise und der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit«, hies aus aus Regierungskreisen in Athen.
Update 13 Uhr: Die Bundesregierung hat Erwartungen Griechenlands auf rasche erste Zahlungen aus dem verlängerten Kreditprogramm noch im März gedämpft. Für mögliche Vorabzahlungen gebe es keine Grundlage, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Jäger, am Freitag in Berlin. Es gebe eine eindeutige Vereinbarung der Eurogruppe, wonach Griechenland bis Ende April einen detaillierten Maßnahmenplan vorlegen und dieses bis spätestens Ende Juni abarbeiten müsse. Die Umsetzung werde dann bewertet. Vor Auszahlung der letzten, noch ausstehenden Tranche müsse das verlängerte Kreditprogramm erfolgreich abgeschlossen sein. Die Möglichkeit von Subtranchen wie in der Vergangenheit werde in diesem Fall nicht gesehen. Sollte die griechische Regierung ihre detaillierten Vorstellungen früher vorlegen und schneller umsetzen, sei auch eine frühere Auszahlung der letzten Hilfskredite möglich. »Es gibt hier keinen festgelegten Zeitpunkt«, sagte Jäger. Es gebe aber klar definierte, in einer Reihenfolge zu absolvierende Arbeitsschritte: »Diese Reihenfolge ist für uns bindend, die ist Grundlage der gemeinsamen Erklärung. Wir werden uns entlang dieser Linie bewegen.«
Update 12.30 Uhr: Griechenland hat am Freitag fristgemäß 310 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) gezahlt. Dies bestätigten Kreise des Finanzministeriums am Freitag. Das Land muss bis Ende März weitere 1,19 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Die Kassen in Athen sind fast leer. Insgesamt muss Athen im März Verpflichtungen im Umfang von gut 6,85 Milliarden Euro erfüllen. In Athen wird mit Hochdruck an einer Liste von Maßnahmen gearbeitet, die noch an diesem Freitag an die Eurogruppe verschickt werden soll. Darin werden nach Aussagen eines Mitarbeiters des Finanzministeriums »konkrete Zahlen und Maßnahmen« genannt, wie sie die Eurogruppe sehen will. Erst dann könnte Athen auf eine Teil-Auszahlung ausstehender Kredite in Höhe von 7,2 Milliarden Euro hoffen.
Update 11.05 Uhr: Griechenland steht schneller als erwartet vor akuten Zahlungsproblemen. Auch der kleinste Fehler könnte zum Zahlungsverzug führen und eine Pleite auslösen. Im März muss Athen Verpflichtungen im Umfang von gut 6,85 Milliarden Euro erfüllen. Die Regierung hat Rentenkassen und andere öffentliche Institutionen aufgerufen, ihre Geldeinlagen an den Staat zu geben. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Regierungskreisen. Die Führung der EU Kommission sei bereits über den Stand der Dinge informiert worden, hieß es. Am Freitagmorgen traf sich Regierungschef Alexis Tsipras mit dem Chef der Zentralbank, Ioannis Stournaras, zu einer Dringlichkeitssitzung. An dem Treffen am Regierungssitz in Athen nahmen auch der für Finanzen zuständige Vize-Regierungschef Giannis Dragasakis und Finanzminister Yanis Varoufakis teil, wie das griechische staatliche Fernsehen berichtete.
Update 7.40 Uhr: Laut einer neuen Umfrage sind die Bundesbürger geteilter Meinung über die Verlängerung des Kreditprogramms für Griechenland. Zahlen für den ARD-»Deutschlandtrend« zufolge finden 49 Prozent die Verlängerung richtig, 47 Prozent halten sie für falsch. Insgesamt wurden 1006 Deutsche am Montag und Dienstag befragt. 25 Prozent der Befragten trauen der griechischen Regierung zu, die Reformen umzusetzen. 71 Prozent trauen dies der griechischen Regierung nicht zu.
Erst Treffen der Euro-Finanzminister am Montag abwarten
Berlin. Der EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker soll laut einem Zeitungsbericht dem griechischen Regierungschef Alexis Tsipras die Bitte um ein kurzfristiges Treffen ausgeschlagen haben. Wie die »Süddeutsche Zeitung« berichtet, habe der Ministerpräsident der SYRIZA-geführten Koalition in Athen in Brüssel telefonisch um ein kurzfristiges Treffen noch am Freitag gebeten. Juncker habe die Bitte nach einem Treffen noch am Freitag - vor allem mit Blick auf den Termin - abgelehnt, hieß es. Tsipras und Juncker seien übereingekommen, zunächst das Treffen der Euro-Finanzminister am Montag abzuwarten und danach über einen Termin zu reden. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte laut »SZ« dazu lediglich, dass Juncker und Tsipras »in permanentem telefonischen Kontakt« stünden.
Laut »Süddeutsche Zeitung« sucht Tsipras bei Juncker offenbar Unterstützung dabei, die im Kreditprogramm vereinbarte Auszahlung der noch vorhandenen knapp 15 Milliarden Euro zu beschleunigen. Athen hat im Gegenzug eine Liste mit Maßnahmen vorgelegt, diese müssen aber noch präzisiert und von den europäischen Gläubigern endgültig bestätigt werden. Außerdem sollen die Vorhaben auch im griechischen Parlament abgestimmt werden. Ursprünglich war dafür eine Frist bis Ende April vorgesehen; zuletzt hatte es aber Äußerungen darüber gegeben, dass ein Teil der Kredite vorher ausgezahlt werden könnte - wiederum im Gegenzug für konkrete Maßnahmen der SYRIZA-geführten Regierung.
Griechenlands Finanzminister Yanis Varoufakis hatte vor wenigen Tagen die Vorlage von konkreten Maßnahmen zur Verbesserung der Einnahmesituation des Athener Staatsetats und zur Bekämpfung von Korruption angekündigt. Am kommenden Montag werde er »ein Dossier mit sechs Vorschlägen vorstellen und mit unseren Partnern über Maßnahmen diskutieren, die umgehend umgesetzt werden können«, sagte Varoufakis am Dienstag in einem Interview mit dem Sender Star TV. Er reagierte damit auf Äußerungen des Vorsitzenden der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, wonach bei entsprechenden Fortschritten die Auszahlung weiterer Kredittranchen bereits im März möglich sei.
Laut der Zeitung gibt es inzwischen offenbar Zahlungsschwierigkeiten der griechischen Regierung. So konnten bereits im Februar nicht alle Staatsbediensteten bezahlt werden, hieß es in der Zeitung weiter. Erstmals hätten etwa Hilfslehrer kein Gehalt bekommen. Die griechische Regierung kämpft praktisch Tag für Tag gegen die drohende Pleite. Im März muss Athen Verpflichtungen im Umfang von gut 6,85 Milliarden Euro erfüllen. Am Mittwoch hatte sich der Staat kurzfristig 1,138 Milliarden Euro über die Ausgabe kurzlaufender Anleihen am Kapitalmarkt verschafft. Ende Februar hatte Athen mit den europäischen Gläubigern die Verlängerung eines Kreditprogramms vereinbart..
Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, warnte die SYRIZA-geführte Regierung derweil davor, sich mit Finanztricks neues Geld zu beschaffen. »Es kann nicht angehen, dass die griechische Regierung versucht, sich über kreative Buchführung oder Tricks weiter durchzumogeln«, sagte der CSU-Politiker der »Bild«-Zeitung. Belege für seine Behauptung lieferte Weber nicht.
Der finanzpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Bartholomäus Kalb, hält inzwischen eine Befassung des Bundestags mit einem dritten Griechenland-Kreditprogramm für möglich. »Das ist nicht vollkommen auszuschließen«, sagte Kalb dem »Tagesspiegel« auf die Frage, ob sich der Bundestag in den nächsten Wochen oder Monaten mit einem dritten Kreditprogramm für Athen beschäftigen muss. Er würde es zwar vorziehen, wenn es nicht dazu käme, sagte Kalb weiter. Allerdings sei unklar, wie die Entwicklung in Griechenland weitergehe. Im Regierungslager waren es bislang SPD-Abgeordnete gewesen, welche die Option eines dritten Kreditprogramms ins Spiel gebracht hatten. Agenturen/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.