Tauziehen unterm atomaren Schutzschirm
Beim Streit um das Iran-Atomabkommen wird die beste Lösung ausgespart - eine kernwaffenfreie Zone in Nahost
Muss der US-amerikanische Kongress einem Atomabkommen mit Iran zustimmen? Diese Frage beschäftigte das politische Washington in den vergangenen Tagen nicht nur unter außenpolitischem Aspekt. Denn längst ist das Tauziehen um eine Vereinbarung mit Teheran zum innenpolitischen Spielball mit Blick auf die nächste Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten geworden. Wie der Streit um Barack Obamas Einwanderungs- und Gesundheitsreform oder um die Ölpipeline Keystone XL steht auch Iran weit oben auf der Liste jener Themen, mit denen die Republikaner in den beiden letzten Amtsjahren Präsident Obama und damit seine Demokratische Partei attackieren wollen. Auch deshalb hatten die Konservativen den israelischen Regierungschef am Weißen Haus vorbei zu einem großen Auftritt in das von ihnen beherrschte Parlament geladen, wo Benjamin Netanjahu dann gleich zweifach Wahlkampf machte. Wird in Israel doch schon in zehn Tagen über seine eigene politische Zukunft abgestimmt.
Allerdings mussten die Obama-Gegner im Kongress jetzt auch eine Niederlage hinnehmen. Am Donnerstag (Ortszeit) sagten die Republikaner im Senat eine ursprünglich für nächsten Dienstag geplante Abstimmung über ein Gesetz ab, das den Präsidenten gezwungen hätte, dem Parlament den Text einer Iran-Einigung innerhalb von fünf Tagen zur Prüfung vorzulegen. Allen Beteiligten ist klar, dass ein solches Mitspracherecht die laufenden Verhandlungen mit Teheran torpedieren könnte. Zumal der Gesetzentwurf daneben vorsieht, dass die Sanktionen gegen Iran selbst nach einer Einigung für 60 Tage nicht ausgesetzt werden dürfen, während die Senatoren und Abgeordneten über das Abkommen beraten.
Auch in den Reihen der Präsidentenpartei finden sich Parlamentarier, die einem Atomabkommen kritisch gegenüber stehen. Doch konnte Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, nach Information seines Büros den Gesetzentwurf dann doch nicht wie geplant im Schnellverfahren zur Abstimmung bringen, weil sich die Demokraten dagegen sperren. Denn die Obama-Regierung will weiter verhandeln und Außenminister John Kerry hat gerade in der Golfregion für den Nukleardeal mit Teheran geworben. Die Verhandlungen stellten sicher, dass »Iran keine nuklearen Waffen besitzen wird«, betonte er bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen des Golf-Kooperationsrates in Riad. Auch bei einer Einigung im Atomkonflikt werde man Iran weiter unter Beobachtung halten. Die in London ansässige arabische Tageszeitung »Al-Hayat« meldete sogar, dass Kerry den arabischen Golfstaaten einen »atomaren Schutzschirm« gegen eventuelle Angriffe aus Iran anbieten würde. Vorbild sei ein ähnlicher Schutzschirm der USA für Südkorea und Japan gegen Angriffe aus Nordkorea.
Kernwaffengegner sehen eine ganz andere Lösung für das Problem: die Einrichtung einer von Massenvernichtungswaffen freien Zone in der Region. Eine solche Zone, so UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, sei auch von »größter Wichtigkeit« für die Integrität des Atomwaffensperrvertrags (NPT), der in diesem Jahr erneut evaluiert wird. »Atomwaffenfreie Zonen tragen dazu bei, die Bemühungen um nukleare Abrüstung und nukleare Nicht-Verbreitung zu stärken und die regionale und internationale Sicherheit zu fördern«, betont Ban. Bislang gibt es entsprechende völkerrechtliche Regelungen für Zentralasien, Afrika, die Mongolei, Südasien, den Südpazifik, Lateinamerika und die Karibik, die Antarktis und den Weltraum.
Die auf der NPT-Revisionskonferenz 2010 erneut vorgeschlagene Tagung über eine atomwaffenfreie Zone Nahost kam bisher aber nicht zustande, obwohl sich Finnland als Ausrichter angeboten hatte. Denn die USA stellen sich quer. Sie befürchten, dass sich eine solche Konferenz auf die Forderung nach nuklearer Abrüstung Israels einschießen könnte. Denn der wichtigste Nahost-Verbündete Washingtons ist zugleich der einzige Staat der Region, der schon Atomwaffen besitzt, auch wenn israelische Regierungen das bisher weder bestätigt noch bestritten haben. Die Abrüstungsorganisation »Arms Control Association« schätzt die Zahl der nuklearen Sprengköpfe auf 100 bis 200.
Das von der Obama-Regierung angestrebte Iran-Abkommen soll Teheran zwar die friedliche Nutzung der Atomtechnologie erlauben, aber auch die Möglichkeit nehmen, kurzfristig selbst Atomwaffen zu entwickeln. Ein Ziel, das Iran allerdings stets bestreitet. Im Gegenzug sollen die internationalen Sanktionen aufgehoben werden, die in Iran eine schwere Wirtschaftskrise verursacht haben. Bis Ende März wollen Teheran und die sogenannte 5+1-Gruppe eine Grundsatzeinigung erreichen. Bis Anfang Juli soll dann ein vollständiges Abkommen samt der technischen Einzelheiten vorliegen.
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