CSU beschimpft SYRIZA: Nicht »das Maul aufreißen«
Demo gegen Kürzungspolitik am Samstag in Berlin / Brüssel und Berlin machen Druck auf Athen / Oppermann gegen »vorschnelle« Auszahlung von Kredittranchen an Griechenland / Wagenknecht: Bundesregierung soll »Erpressung« von SYRIZA-Regierung beenden
Update 17.45 Uhr: Zu einer Demonstration gegen die Kürzungspolitik in Europa am kommenden Sonntag ruft das Bündnis Griechenlandsolidarität Berlin auf. »Geht es nach dem Willen der Bundesregierung und seines Finanzministers, dann darf es in Europa keine Alternative zum neoliberalen Umbau der Gesellschaft geben«, heißt es in einem auch von der Linkspartei Berlin unterstützten Aufruf. Die SYRIZA-geführte Regierung solle »gezwungen werden, ihre Wahlaussagen zu brechen und die Sparpolitik« fortzusetzen. »Wolfgang Schäuble lügt, wenn er behauptet, mit der griechischen Wirtschaft ginge es aufwärts: Gar nichts wurde verbessert«, heißt es an anderer Stelle. Die Demonstration solle sich »für eine Beendigung der Politik der schwarzen Nullen und der Sparzwänge auch bei uns in Deutschland« stark machen. Es dürfe nicht zugelassen werden, »dass der soziale und demokratische Aufbruch in Griechenland abgewürgt wird, ehe er zum Vorbild für andere europäische Länder werden kann«. Die Auftaktkundgebung soll um 15 Uhr vor dem Bundesfinanzministerium beginnen. Unterstützt wird das Bündnis Griechenlandsolidarität Berlin von SYRIZA Berlin, Podemos Berlin, 15M Berlin, Gewerkschaftliche Griechenland-Reisegruppe, Berliner Forum Griechenlandhilfe, Griechenland-AG attac Berlin, AK Internationalismus IG Metall Berlin, Real Democracy Now! Berlin, Neue antikapitalistische Organisation, DIE LINKE, DIE LINKE Berlin, Europäische Linke (GUE/NGL).
Update 15 Uhr: Grünen-Chefin Simone Peter hat Griechenland und die Euro-Partner aufgefordert, sich nicht weiter gegenseitig mit Vorwürfen zu überziehen. »Das Bashing der Griechen, aber auch deren provokante Art und Weise, auf die Euro-Länder zu reagieren, bringt keinem etwas«, sagte Peter am Montag in Berlin. Griechenland müsse seine Hausaufgaben machen, die vereinbarten Reformen voranbringen sowie Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Kreditgebern einhalten. Es sei aber auch berechtigt, dass die neue griechische Regierung den Kurs der Vorgängerregierung nicht fortsetzen wolle und darauf beharre, mit einem neuen Weg wirtschaftliches Wachstum anzustoßen und die soziale Schieflage zu beseitigen. Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis strebe eine stabile Haushalts- und Finanzpolitik an, wie das Schreiben an die Euro-Gruppe zeige.
Update 13 Uhr: CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer hat die SYRIZA-geführte Regierung erneut verbal attackiert: Gerade erst sei Griechenland von der Schippe des Staatsbankrotts gesprungen, sagte er. »Und jetzt in der Reha am Tropf das Maul aufreißen und neue Forderungen stellen - das geht nicht.« Die Christsozialen würden von dem Grundsatz, dass es Kredite nur gegen Maßnahmen gebe, von denen Berlin und Brüssel als »Reformen« sprechen, nicht abrücken, sagte auch CSU-Chef Horst Seehofer am Montag vor einer Parteivorstandssitzung in München. Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber, forderte, es müsse Schluss sein »mit Lehrvorträgen aus Griechenland, wie man Rettungspolitik macht«. »Der Ball liegt in Athen«, sagte der CSU-Politiker.
Update 12 Uhr: Die bisher von Griechenland vorgestellten Pläne reichen nach Einschätzung von Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nicht aus. »Von den 20 Maßnahmen, die die Griechen ergreifen mussten, haben sie sechs präsentiert«, sagte der Sozialdemokrat der niederländischen Zeitung »Volkskrant«. »Es wird ein Prozess des langen Atems.« Dijsselbloem hatte laut Diplomaten einen Brief des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis erhalten, in dem dieser konkretisiert, wie die SYRIZA-geführte Regierung mehr Wachstum und mehr finanziellen Spielraum erreichen sowie Schritte gegen die humanitäre Krise absolvieren will. Die Eurogruppe wird vom Montagnachmittag an in Brüssel über die Pläne beraten.
Update 11 Uhr: Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) hat die griechische Regierung aufgefordert, konkretere Pläne für Reformen vorzulegen. »Es reicht nicht aus, Briefe mit Unverbindlichkeiten auszutauschen«, sagte Kampeter am Montag im Deutschlandfunk. Er erwarte von der griechischen Regierung stattdessen »harte Arbeit und verbindliche Festlegungen«. »Ich glaube, die letzten Wochen hätte man dazu sinnvoller nutzen können«, kritisierte Kampeter. Griechenland müsse »jetzt endlich mit der Troika Verhandlungen und ernsthafte Gespräche führen«, sagte der Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Dann müssten die griechischen Refomvorschläge geprüft und letztendlich auch umgesetzt werden. Bei den Vorschlägen müsse erkennbar sein, »dass es auch einen Umsetzungswillen gibt«, betonte Kampeter. Der CDU-Politiker forderte Athen auf, den europäischen Institutionen auch endlich belastbare Daten über seine finanzielle Lage zu liefern. Das Treffen der Euro-Finanzminister müsse auch »Klarheit über die Haushaltslage in Griechenland bringen«. Bisher gebe es aus Athen lediglich »unklare Daten«. Zu der Forderung der griechischen Regierung, einen Teil der Hilfsgelder früher auszuzahlen, wird es laut Kampeter bei dem Treffen noch keine »substanziellen Festlegungen« geben. Griechenland habe die Voraussetzungen für neue Hilfszahlungen »bisher noch nicht erfüllt«. Die Euro-Länder hatten im Februar eine Verlängerung des Kreditprogramms für Griechenland um vier Monate bis Ende Juni gebilligt. Im Gegenzug muss Athen konkrete Maßnahmen vorlegen.
SPD-Fraktionschef gegen »vorschnelle« Auszahlung von Kredittranchen
Berlin. Vor einem neuerlichen Treffen der Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel hat sich der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Bundestag, Thomas Oppermann, gegen die vorzeitige Auszahlung von Kredittranchen nach Griechenland ausgesprochen. »Die Dringlichkeit der Anfrage darf nicht dazu führen, dass wir vorschnell die noch ausstehenden Kredite auszahlen«, sagte Oppermann der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Die Finanzminister der Eurozone müssten laut dem Sozialdemokraten kritisch prüfen, was die SYRIZA-geführte Regierung als Maßnahmen vorlege. Den Worten müssten auch Taten folgen, so Oppermann. »Wirkliche Substanz kann ich in den Reformabsichten noch nicht erkennen.«
Athens Finanzminister Yanis Varoufakis wird am Montag in der Eurogruppe neue Reformpläne vorstellen. Bereits vor einigen Tagen war ein Brief von Varoufakis bekanntgeworden, in dem dieser auf elf Seiten der Eurogruppe detailliertere Vorschläge für Maßnahmen unterbreitet hat - dies hatten die europäischen Gläubiger zur Bedingung der Verlängerung des Kreditprogramms gemacht. Vor einer Auszahlung von Kredittranchen sollen die Athener Pläne von den Institutionen EU-Kommission, EZB und IWF geprüft werden. Das elfseitige Schreiben war am Wochenende auch in Brüssel auf Ablehnung gestoßen.
»Ein Brief hin oder her ändert nicht viel«, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Weitere Kredite könnten nur ausgezahlt werden, wenn die griechische Regierung die Auflagen des laufenden Programms einhalte, sagte Dombrovskis. »Die Regierung in Athen versteht dieses Problem offenbar immer noch anders als wir.« Auch von einer Auszahlung in Raten, die prinzipiell möglich sei, sei man derzeit noch weit entfernt. »Wir müssen immer wieder einen Punkt wiederholen: Wenn das Programm erfolgreich abgeschlossen werden soll, muss die Regierung seine Bedingungen erfüllen.«
Varoufakis will für Athen mehr finanziellen Spielraum gewinnen und das Wachstum in Griechenland anschieben. Auch gibt es konkretere Vorstellungen über erste Schritte gegen die humanitäre Krise.
Linksfraktionsvize Sahra Wagenknecht unterstützt dagegen die Haltung der SYRIZA-geführten Regierung. Die Bundesregierung solle »die andauernde Erpressung« umgehend beenden, sagte die Bundestagsabgeordnete. »Die Drohung von Merkel & Co., Griechenland finanziell austrocknen zu lassen, soll die neue Regierung in Athen zu Zugeständnissen zwingen«, kritisierte sie. Berlin drehe damit weiter »an den finanziellen Daumenschrauben der SYRIZA-Regierung«. Wagenknecht rief dazu auf, stattdessen die neue Regierung dabei zu unterstützen, »die griechischen Oligarchen angemessen zur Finanzierung des Staates heranzuziehen. Dazu ist es notwendig, dass die Auslandsvermögen reicher Griechen hierzulande erfasst werden«.
Bereits seit mehreren Tagen wird über neue Zahlungsprobleme Griechenland diskutiert. Die Kassen in Athen seien inzwischen fast leer, hieß es. Die SYRIZA-geführte Regierung muss im März Verpflichtungen im Umfang von gut 6,85 Milliarden Euro erfüllen. Vor knapp zwei Wochen hatten die Europartner das laufende Kreditprogramm um vier Monate verlängert. Laut »Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung« will die Eurogruppe am Montag beschließen, dass die Vertreter der Gläubiger in der neuen Woche nach Athen reisen, um die Bücher zu prüfen. EU-Diplomaten legten sich hingegen nicht auf einen solchen Zeitplan fest.
Derweil hat Varoufakis die Größe der Zahlungsprobleme relativiert. »Ich kann nur sagen, dass wir das Geld haben, um die Renten und die Löhne der Angestellten im öffentlich Dienst zu zahlen. Für den Rest werden wir sehen«, sagte er der italienischen Tageszeitung »Corriere della Sera«. Dass Athen ein drittes Kreditprogramm akzeptieren werde, schloss er mit Blick auf die damit einhergehenden Kürzungsauflagen und Deregulierungsbedingungen aus. »Wir werden nicht zu dem Mechanismus zurückkehren, Kredite zu bekommen im Gegenzug für ein Programm, das wir respektieren müssen.«
Man wolle stattdessen ein Projekt vorschlagen, »das Griechenland die Möglichkeit zurückgibt, wieder zu wachsen und die humanitäre Krise zu beenden«, sagte Varoufakis. Wenn Brüssel dies nicht akzeptiere, »könnte es Probleme geben«. Möglich seien dann Neuwahlen in Griechenland oder ein Referendum über die Krisenpolitik. »Wir kleben nicht an unseren Stühlen.« Zeitungen titelten umgehend: »Varoufakis droht im Schuldenstreit mit Referendum«. Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.