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Spaßvogel, Kobold, Spötter
Alexander Kluy erzählt das Leben des Joachim Ringelnatz
Man muss ihn nicht vorstellen. Joachim Ringelnatz ist einer, den auch Leute kennen, die um Gedichte sonst einen Bogen machen. Ein Spötter, mal sanft und mal etwas derber, ein Meister des Bizarren, ein Kobold, ein übermütiger, spielerischer, witziger, graziöser, wunderlicher Poet, der mit leichter Hand seine Wahrheiten im Unsinn verpackte. Einer, der das Leben dort kennenlernte, wo es ganz dreckig war. Der nie vergaß, woher er kam. Und der federleichte, unsterbliche Verse hinterließ. »Ich weiß nicht, was das ist: ein Dichter«, schrieb Alfred Polgar 1952, »aber ich bin zutiefst überzeugt, daß Ringelnatz einer war.«
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* Alexander Kluy: Joachim Ringelnatz. Die Biografie,
Osburg Verlag. 503 S., geb., 24,90 €.
Seltsam nur, dass dieser Joachim Ringelnatz, der 1883 als Hans Bötticher im sächsischen Wurzen geboren wurde, die Literaturwissenschaft nie besonders interessiert hat. Nur eine Handvoll bestallter Akademiker, sagt Alexander Kluy, hat sich in den letzten vier Jahrzehnten ernsthaft mit dem Werk des Poeten beschäftigt. Wichtigstes Ergebnis dieser Arbeit war die siebenbändige, mit Kommentaren versehene Werkausgabe, 1994 ediert in Zürich. Wer indes eine gute Biografie suchte, hatte kaum Auswahl und hielt sich seit langem an Helga Bemmann. Sie hat die Geschichte des Joachim Ringelnatz 1980 in dem attraktiv ausgestatteten Band »Daddeldu ahoi« (Buchverlag Der Morgen) erzählt, der 1996, gründlich überarbeitet, bei Propyläen noch einmal erschien.
Doch nun kommt Bewegung ins Fach. Alexander Kluy, Journalist, Kritiker und Verfasser kulturgeschichtlicher Bücher, widmet dem Erfinder des Kuddel Daddeldu eine Biografie, die, mit erfreulich leichter Hand verfasst, das Bild eines Poeten und Komikers entwirft, der ein wunderbarer Spaßmacher war, doch nie unberührt von Zeit und Raum. Kluy stellt ihn mitten in die politische Geschichte Deutschlands. Schon auf den ersten Seiten, wenn er vom Begräbnis auf dem Friedhof an der Berliner Heerstraße im November 1934 spricht, erzählt er auch von den Lastwagen, die in unmittelbarer Nähe die Baumaterialien fürs künftige Olympiastadion transportieren. Nur noch anderthalb Jahre, dann muss Hitlers Großprojekt fertig sein.
Als Ringelnatz fünfzig wurde, am 7. August 1933, gab's noch einmal ein Fest. Asta Nielsen und Renée Sintenis, seine besten Freundinnen, der Schauspieler Paul Wegener und der Verleger Ernst Rowohlt luden ins Berliner Hotel »Kaiserhof« zu einer »Ringelnatz-Stunde«. Die Laudatio auf das »liebe Seelchen« hielt Wegener, der sich bei dieser Gelegenheit ein bisschen über die Zeitgenossen wunderte, weil sie nicht fühlten, »wie hinter der Klabautermannfratze ein zartes Kinderherz wohnt, so ängstlich, daß es im Dunkel dieses Welt-Dschungels zu singen anfängt«. Der Dichter, Maler und Kabarettist, in letzter Zeit mit freundlichen Worten nicht verwöhnt, saß da im schwarzen Anzug, genoss Rede und Feier, las ein letztes Mal eigene Gedichte, nahm Geschenke entgegen und ahnte wahrscheinlich schon, dass ihm so viel Bewunderung nicht mehr zuteil werden würde.
Kluy schildert ein Leben mit all den Anläufen und Hoffnungen, seinen Platz zu finden in der Welt, mit seiner Mühsal und den Erfolgen, der Liebe zu Muschelkalk, seiner Frau, den Freunden und der bitteren Armut zuletzt. Ringelnatz hatte, Sohn des Schriftstellers und Musterzeichners Georg Bötticher, schon allerhand hinter sich, als er 1910 seinen ersten Gedichtband herausbrachte und wenig später den zweiten. Er war auf einem Segelschiff zur See gefahren, hatte als Leichtmatrose auf einem Frachter, dann auch bei der Kaiserlichen Marine gedient, hatte eine kaufmännische Lehre absolviert und sein Geld als Bibliothekar verdient, war als fahrender Musikant durch Holland, Belgien und England gezogen und schließlich in München gelandet. Dort machte er einen Tabakladen auf und fand Kontakt zur Bohème. Im Kreis all der lustigen, verrückten Gesellen fasste er dann den Beschluss, »mich ganz und ernster auf meine Feder zu verlassen«. 1912, mit dem Gedichtbüchlein »Die Schnupftabakdose« erntete er, wenigstens in seiner Umgebung, die ersten richtigen Lorbeeren.
Da war dieser muntere Kerl schon auf dem Weg, eine neue Existenz zu gründen. Er gab ihr den Namen Joachim Ringelnatz. Und wurde so zum Begriff, populärer Poet und gefeierter Spötter, der dem zeitkritischen Kabarett eine besondere Note gab. Mit den Nazis kam der Sturz ins Bodenlose. Schon im Februar 1933 hat man ihn in Dresden von der Bühne vertrieben. Ein Auftritt in Hamburg wurde abgesagt, beschlagnahmt seine Bücher in München. Die Freunde brachten sich derweil in Sicherheit. Er blieb, gastierte noch einmal in der Schweiz und kam als Kranker nach Berlin zurück. Der ärztliche Befund: Tuberkulose. Ein Gedicht, das er 1933 oder ’34 schrieb, wurde erst fünfzig Jahre später bekannt. In der Mitte die Zeilen: »Unrelative Lumpen hausen bei uns zu Haus, / Und hauen das Land in Klumpen.«
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