Den andern nimmt’s der Herr im Schlaf
Säkulare wenden sich gegen kirchliche »Rasterfahndung« und Abzocke von Nicht-Christen
Frankreich ist zwar ein katholisch geprägtes, gleichwohl laizistisches Land. Völlig undenkbar, dass der Staat für die Kirchen Steuern eintreiben und sie auch ansonsten auf vielerlei Wegen alimentieren und privilegieren würde - so wie es in Deutschland üblich ist. Die Kirchensteuer wurde im Revolutionsjahr 1789 abgeschafft. Auch einen Kirchenaustritt - hierzulande ein formaler Rechtsakt, für den man persönlich das weltliche Amtsgericht aufsuchen und vielerorts gar eine Gebühr entrichten muss - kennt der Franzose nicht. Bisher vergeblich fordern Frankreichs Säkulare das Recht ein, sich aus den Taufregistern löschen zu lassen.
Man darf es dem aus Frankreich stammenden und seit zwei Jahren in Berlin arbeitenden Ingenieur Thomas Bores also durchaus abnehmen, dass er ernsthaft erstaunt war, als die Katholische Kirche bei ihm rückwirkend mehr als 500 Euro Kirchensteuer eintreiben wollte. Gewiss, Bores war als Säugling getauft worden. Doch ohne seine Zustimmung. Mit der Kirche hatte der überzeugte Atheist nichts am Hut. Und so gab er denn bei den Steuerbehörden an, er gehöre »keiner Religion« an.
Doch das Land Berlin hatte die Daten des Ungläubigen standardmäßig an die Kirchensteuerstelle der beiden christlichen Kirchen weiter geleitet. Von dort erhielt Bores einen Fragebogen - und gab erneut an, »konfessionslos« zu sein. Damit jedoch gaben sich die kirchlichen Geldeintreiber nicht zufrieden. Sie fragten bei ihren Glaubensbrüdern in unserem westlichen Nachbarland an. Und tatsächlich, Thomas Bores' Name fand sich im Taufregister eines französischen Dorfes. Also galt Bores den Kirchsteuereintreibungswilligen als Katholik und damit als Kirchensteuerzahlungspflichtiger.
Nun wird die Kirchensteuer automatisch von Bores Gehalt abgezogen. Denn einen Beleg für den Kirchenaustritt kann er ja nicht vorlegen. Ein Problem, dass er mit jenen zehntausenden ungläubigen Ex-DDR-Bürgern teilt, die sich nach der Wende mit Kirchensteuerforderungen konfrontiert sahen.
Für den Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) ist der Vorgang der zwangsweisen Steuererhebung eine Ungeheuerlichkeit. »Die Rasterfahndung kirchlicher Behörden muss umgehend beendet werden«, fordert Carsten Frerk, bekannt geworden als Experte für Kirchenfinanzen und beim IBKA zuständig für den Bereich »Kirchen als politische Akteure«.
Kritikabel sei schon, dass deutsche Behörden die Daten aller Leute an die Kirchensteuerstellen zur Prüfung weiterleiteten. Spätestens nach dem Ausfüllen des Fragebogens hätte die Kirchensteuerstelle ihre Recherche aufgeben müssen, findet der Politologe und Autor. »Den Kirchen steht nach dem Berliner Meldegesetz nur zu, die Daten von Kirchenangehörigen zu bekommen.« Generell seien deutsche Behörden nicht befugt, zureisende Ausländer überhaupt zu ihrer Religion zu befragen. »Denn«, so Frerk, »kirchensteuerrechtliche Fragen werden in nationalstaatlicher Tradition geregelt«.
Schon fragte eine französische Partnerorganisation des IBKA bei Frankreichs Außenminister Laurent Fabius nach, wie er gedenke, die Rechte in Deutschland lebender französischer Staatsbürger zu schützen. Gegenüber der »Katholischen Nachrichtenagentur« bestätigte das katholische Erzbistum Berlin den Fall im Grundsatz, widersprach dem IBKA aber in den Schlussfolgerungen. Auch in Deutschland lebende Ausländer müssten Kirchensteuer zahlen, wenn sie katholisch und steuerpflichtig seien. Die Kirchensteuerstellen hätten keine Hinweise auf einen auch nur formlosen Kirchenaustritt gehabt. Bores Aussage, er sei konfessionslos, hält man offenbar für eine Lüge - Sünde gemäß achtem Gebot des christlichen Dekalogs. Eigentlich. Allerdings wurde die ihm formlos und ohne Beichte vergeben - Hauptsache, er zahlt.
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