Falsches Jubeldatum

Max und Moritz kamen erst ein halbes Jahr später zur Welt

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 4. April erinnern viele Veranstaltungen an das 150-jährige Erscheinen von »Max und Moritz«. Das Datum ist aber falsch. Die Geschichte wurde über ein halbes Jahr später veröffentlicht.

Daraus hätte Wilhelm Busch bestimmt eine Geschichte gemacht: Viele Medien und Museen feiern den 150. Jahrestag des Erscheinens von »Max und Moritz« - aber zu einem falschen Zeitpunkt. Statt am 4. April, wie es unter vielen anderen der »Deutschlandfunk« und die Zeitung »B.Z.« ankündigen, wurde die weltbekannte »Bubengeschichte in sieben Streichen« erst ein gutes halbes Jahr später veröffentlicht. Darauf machte dieser Tage die Wilhelm Busch-Biografin Gudrun Schury aufmerksam. Am 4. April 1865 hatte Busch »noch nicht einmal die Zeichnungen auf die Druckstöcke übertragen«, sagt die in Bamberg lebende Literaturwissenschaftlerin und Publizistin.

Das nach den Worten Schurys »völlig aus der Luft gegriffene« Datum 4. April 1865 stand bis Anfang März noch in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia und war bis vor Kurzem auch im Deutschen Rundfunkarchiv in der Rubrik »Jahrestage« zu finden. Die Angaben hätten dann einen »Rattenschwanz an Folgen« hinterhergezogen.

Für das »falsche Jubeldatum« 4. April 2015 seien vielerorts Vorträge und Feierlichkeiten angekündigt worden, weiß Schury. »Das weltweite Netz ist voll von dieser Falschinformation. Ob es die Macher von Kalenderseiten sind, Museumsleute oder Website-Betreiber: Keiner stellte das Datum in Frage.«

Gut aus der Affäre können sich nun diejenigen Einrichtungen ziehen, die - wie etwa die niedersächsischen Wilhelm-Busch-Museen - das »Max und Moritz«-Jubiläum nicht an einem bestimmten Tag oder gleich das ganze Jahr über feiern. In Wiedensahl bei Stadthagen, wo der Dichter und Zeichner 1832 geboren wurde und die Kindheit verbrachte, plant das Wilhelm-Busch-Museum zusammen mit der Gemeinde und örtlichen Vereinen gleich sieben Veranstaltungen. Nach dem Auftakt im April soll jeden Monat ein weiterer »Streich« folgen. Die Wilhelm-Busch-Mühle in Ebergötzen bei Göttingen zeigt im Sommer die Ausstellung »Böse Buben - 50 Jahre Kinderbücher seit Max und Moritz«.

1841 war Busch für fünf Jahre einem Onkel in Ebergötzen zur Erziehung anvertraut worden. Buschs damalige Erlebnisse mit seinem Freund Erich Bachmann waren die Grundlage für »Max und Moritz«.

Nach Studien- und Arbeitsaufenthalten unter anderem in Hannover, Antwerpen und München kehrte Wilhelm Busch als 40-Jähriger nach Wiedensahl zurück und wohnte im Haus seiner Schwester und seines Schwagers, eines Pastors, der auch Felder bewirtschaftete. Die letzten zehn Jahre bis zu seinem Tod lebte er im Harz-Dörfchen Mechtshausen, wo es in diesem Jahr ebenfalls mehrere »Max und Moritz«-Veranstaltungen gibt.

»Max und Moritz« zählt neben dem »Struwwelpeter« zu den am meisten verbreiteten Werken der deutschen Kinderliteratur. Bereits zu Buschs Lebzeiten wurde die Geschichte in zehn Sprachen übersetzt, darunter 1887 ins Japanische. Um die Jahrtausendwende gab es Germanisten zufolge mindestens 281 Übersetzungen in Dialekte und Sprachen, davon über 60 in deutschsprachige Dialekte. Es liegen auch mehrere Übersetzungen ins Lateinische sowie sogar eine altgriechische Version vor.

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