Auch die Politik lernte Kriegsroutine

Mord am Kundus-Fluss weckte noch Verwirrung und Sprachlosigkeit

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Längst hat ein geschäftsmäßiger Umgang mit den Begleiterscheinungen des Krieges die Oberhand im politischen Berlin gewonnen. Als sich die Nachricht vom Bombardement am Kundus-Fluss in Berlin verbreitete, traf sie die politisch Verantwortlichen noch relativ unvorbereitet. Erst mit mehr als zweimonatiger Verspätung erreichte sie auch die Öffentlichkeit, was Arbeitsminister Franz Josef Jung, der zum Zeitpunkt des Bombardements noch Verteidigungsminister gewesen war, inzwischen aber das Ressort gewechselt hatte, die bisher kürzeste Amtszeit eines deutschen Bundesministers bescherte. Er trat zurück. Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg - im Amt, als die Nachricht öffentlich wurde - versuchte sich durch politisches Hakenschlagen aus dem Schussfeld kritischer Nachfragen zu bringen, indem er den Einsatz erst angemessen, dann unangemessen nannte und schließlich Generalinspekteur Wolfgang Schneider und Staatssekretär Peter Wichert entließ, weil sie ihm angeblich Informationen vorenthalten hatten.

Oberst Georg Klein, der den Einsatz befohlen hatte, kam unbehelligt aus der Geschichte heraus, ein Disziplinarverfahren wurde ohne Strafe eingestellt, inzwischen ist der Mann General. Die Gewöhnung an den neuen Alltag der Bundeswehr nahm auch in der Öffentlichkeit ihren Lauf. Minister Guttenberg machte sich schließlich dadurch einen Namen, dass er den Einsatz der Bundeswehr vorsichtig beim Namen nannte, indem er sagte, man könne »umgangssprachlich von Krieg reden«. Das war dann allerdings bereits ein Jahr nach dem Bombardement vom 4. September 2009.

Auch ein Untersuchungsausschuss im Bundestag versuchte, die Umstände des Vorfalls, Schuldfragen und politische Verantwortlichkeiten zu klären. Nach eineinhalb Jahren, 55 Sitzungen, 41 Zeugenbefragungen, darunter Kanzlerin Angela Merkel, Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie Verteidigungsminister zu Guttenberg, kamen die Regierungsfraktionen zum Ergebnis, dass an dem Vorfall nichts zu beanstanden sei außer einigen Informationsmängeln. Die Opposition beklagte sich über Vertuschungs- und Vernebelungsversuche sowie eine Entmündigung des Parlaments.

Dies sind etwa die Positionen, die sich bis heute bei Debatten über Auslandseinsätze der Bundeswehr immer aufs Neue reproduzieren. Krieg wird inzwischen Krieg genannt, der Umgang mit ihm ist zur Routine geworden.

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