Der »Dödel vom Dienst« nimmt seinen Hut
Hartmut Mehdorn hatte am Freitag seinen letzten Arbeitstag auf der Flughafenbaustelle
Bei einem wie Hartmut Mehdorn kann man eigentlich nie wissen. 72 Jahre ist der Manager alt - aber nachdem er am Freitag zum letzten Mal den Flughafenchef von Berlin gab, darf niemand sicher sein, ob es die letzte Rolle war, in die er schlüpfte.
Reisen wolle er demnächst mit seiner Frau, etwa nach Florenz, versichert Mehdorn im Magazin »Focus«. Seine drei Aufsichtsratsmandate wolle er aber behalten. »Vielleicht übernehme ich noch ein viertes, mehr aber nicht. Denn die Lebensuhr tickt.«
Doch Mehdorns lange Manager-Karriere ist unvollendet. Der krönende Abschluss - er ist ihm auch auf Deutschlands berüchtigtster Baustelle nicht gelungen. Der Ingenieur hat gerackert, geschimpft, gestritten für das drittgrößte deutsche Luftdrehkreuz - und dabei ein ums andere Mal seinen Kopf nicht durch die Wand bekommen. Nach zwei Jahren endet nun Mehdorns Amtszeit - vorzeitig.
»Ich habe nicht hingeworfen, ich lege nieder«, das ist Mehdorn wichtig. Das havarierte Großprojekt BER - man habe es wieder flott bekommen, teilte er zum Abschied mit. Dass er die Probleme anfangs unterschätzt hat, gab er schon nach 100 Tagen zu: »Im Moment ist es so, als ob man in einem Sportwagen sitzen würde. Mordslärm, Qualm, die Räder drehen durch - aber das Auto bewegt sich nicht.«
Es hat lange gedauert, bis Mehdorns Strampeln den Treibsand von Schönefeld in Wallungen brachte. Immer wieder muss er eigene Ansagen kassieren, sei es zur Landebahn-Sanierung oder zum Plan für einen Testbetrieb. »Es ärgert mich selber gewaltig, dass es nicht schneller geht. Ich bin nicht Häuptling von Geduld. Es wurmt mich. Es verlängert die Zeit, in der wir hier die Dödel vom Dienst sind.«
Der Umbau der Brandschutzanlage, an der die Eröffnung 2012 hauptsächlich scheiterte, zieht sich hin. Mehdorn kämpft mit einem Dickicht von Ausschreibungen und Genehmigungen. »Wenn sie eine Strickjacke am Anfang mit dem ersten Knopf falsch zuknöpfen und dann oben angekommen sind, dann ist es eben so: Dann müssen sie erst alle Knöpfe aufmachen, bevor sie dann wieder neu ansetzen können.«
Seine bildhafte, direkte Sprache macht Mehdorn (»Diplomat wollte ich nie werden«) auch für Kritiker zur Zielscheibe, hinter der sich die Verantwortlichen um die damaligen Regierungschefs Klaus Wowereit und Matthias Platzeck gern verstecken. »Wenn mir einer quer kommt, dem sage ich: ›Sie sind ein Klotzkopf.‹«
Es scheint, als seien glanzvolle Abgänge Mehdorns Sache nicht. In gut neun Jahren als Bahnchef führt der Industriemanager die Ex-Bundesbahn zwar deutlich in die schwarzen Zahlen, doch die Finanzkrise macht das Ziel Börsengang zunichte, und der Skandal um massenhafte Kontrolle von Mitarbeiterdaten bringt Mehdorn schließlich zu Fall.
Bei Air Berlin gelingt ihm das Kunststück, den Großinvestor Etihad an Bord zu holen, dessen Geldinfusionen die zweitgrößte deutsche Airline am Leben erhalten. Doch nach zwei Jahren geht Mehdorn, ohne die Fluggesellschaft ins Plus zu hieven. Sie schlingert bis heute.
Dem neuen Hauptstadtflughafen hat er immerhin ein neues Ziel verordnet: Nach vier geplatzten Startterminen soll es im zweiten Halbjahr 2017 endlich so weit sein - nach sechsjähriger Hängepartie für Fluggesellschaften, Ladenmieter, Tausende Beschäftigte, Anwohner und Steuerzahler. Bis dahin sehe Berlin mit seinen Altflughäfen Tegel und Schönfeld eben aus »wie Lumpi unterm Sofa«.
Der Terminplan geht maßgeblich auf Mehdorns Technikchef Jörg Marks zurück, der im August kam und in einem internen Schreiben ein Bild der Verunsicherung, Behäbigkeit und Planlosigkeit entwarf - da war Mehdorn schon über ein Jahr am Werk. Geradestehen muss für den mehrfach verschobenen Termin nun der neue Chef Karsten Mühlenfeld.
»Es ist eine durchwachsene Bilanz«, sagt Berlins Regierender Bürgermeister und Flughafen-Aufsichtsrat Michael Müller (SPD). Zwar habe Mehdorn eine neue Perspektive gebracht. »Sein selbstgestecktes Ziel, den Flughafen zu eröffnen, hat er aber nicht erfüllt.«
Die politischen Kontrolleure haben sich kräftig an Mehdorn gerieben, in Krisensitzungen und öffentlichen Zurechtweisungen. Doch Mehdorn traute sich, zurück zu bellen: »Hier wird solange der Kopf über der Suppe geschüttelt, bis wir ein Haar in der Suppe haben.« Nach einer dieser langen Sitzungen fährt Mehdorn mit seinem Wagen in eine Leitplanke, klettert aber unverletzt aus dem Auto. dpa/nd
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