Für Wahlkampf noch zu früh
Die Berliner SPD findet sich im Großen und Ganzen ziemlich klasse
Treffender hätte Jan Stöß seine Eingangsworte zur Landesvorstandsklausur der Berliner SPD kaum wählen können. Für ihn sei eine solche Zusammenkunft immer wie ein Familientreffen, und er hoffe, dass der schöne Ausblick auf die Spree alle Anwesenden beruhigen werde. Eine unbegründete Sorge. An Gemütlichkeit scheint es den Genossen an diesem Vormittag nicht zu mangeln. Es herrscht Kaffeefahrtstimmung und der Eindruck: Die SPD findet sich im Großen und Ganzen ziemlich klasse.
Am Sonntag kam der erweiterte Vorstand der Berliner Sozialdemokraten zusammen, um den Grundstein für die Abgeordnetenhauswahl 2016 zu legen. Von Wahlkampf ist allerdings wenig zu spüren. Statt Visionen gibt es Selbstbeweihräucherung. Für den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) ist es ohnehin zu früh für harten Wahlkampf. »Es ist Zeit zum Regieren, das erwarten die Leute von uns.« Und regieren will Müller jetzt vor allem für die Menschen, die - das sagt er ganz selbstironisch - genauso langweilig sind wie er. Menschen, deren Gedanken um die Miete, das nächste Auto und den Schulweg der Kinder kreisen. Er möchte Politik im städtischen Interesse machen.
Kompromisse finden statt Auseinandersetzung mit Partikularinteressen ist seine Devise. Gemeint sind damit die Gegner von Olympia oder der Bebauung des Mauerparks. Zumindest bei der eigenen Wählerschaft könnte er damit richtig liegen. Denn die mag keinen Streit. Das ist eines der Ergebnisse, die Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner auf der Vorstandsklausur vorstellt. Güllner sorgt mit seinem Vortrag für einigen Zündstoff. Weniger allerdings durch die präsentierten Zahlen denn durch eigene, polemische Meinungsäußerungen. Volksentscheide seien die Erpressung des Mehrheitswillens durch Partikularinteressen, und mit dem Thema Umverteilung ließen sich keine Wahlen gewinnen. Stattdessen müsse die SPD das Thema innere und äußere Sicherheit wieder für sich gewinnen.
Die Zahlen des Forsa-Instituts bestätigen nur sehr bedingt das positive Zeugnis, das die Genossen sich selbst ausstellen. Zwar steht die Berliner SPD laut Güllner besser da als im Bund - bei der Abgeordnetenhauswahl würde sie fünf Prozentpunkte mehr erreichen. Über den allgemeinen Aderlass der Partei dürfe man sich jedoch keine Illusionen machen. Laut Forsa liegt die SPD in der Hauptstadt derzeit bei 29 Prozent. Von allen Wahlberechtigten würde allerdings nur jeder 16. den Sozialdemokraten seine Stimme geben. Der Großteil der verlorenen Wähler würde nicht zu anderen Parteien wechseln, sondern ginge gar nicht mehr zur Wahl, meint Güllner.
Die Arbeit des Regierenden Bürgermeisters wird Forsa zufolge überwiegend als positiv bewertet und habe dafür gesorgt, dass die Partei in Umfragen die CDU als stärkste Kraft wieder eingeholt hat. Die größten Probleme sehen die Berliner bei der Verwaltung, dem Flughafen BER, der Wohnungsnot und den Ausländern. Zum Thema Flüchtlinge findet Michael Müller klare Worte. »Es ist doch selbstverständlich, dass wir solidarisch sein müssen, dass wir Menschen, die in Not sind, bei uns aufnehmen«.
Seine Schwerpunkte für die Hauptstadt sind Haushaltskonsolidierung und Bildung. Hier habe die SPD seiner Ansicht nach gute Ergebnisse vorzuweisen. »Wir müssen nicht kleinmütig sein«, meint der Bürgermeister und ermuntert die Genossen selbstbewusster aufzutreten. Vor allem auch im Hinblick auf Olympia. »Es ist wichtig und richtig, dass wir uns für diese Bewerbung stark gemacht haben«.
Statt Wahlkampf lautet das Motto der SPD stoisch: Alles richtig gemacht, also weiter wie bisher.
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