Profiteur der Flüchtlingsnot

Obwohl es seit Jahren Probleme gibt, macht Berlin weiter mit der privaten PeWoBe Geschäfte

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.
Wenn es um die menschenunwürdige Unterbringung von Flüchtlingen geht, taucht immer wieder der Name PeWoBe auf. Probleme mit dem Heimbetreiber waren den Berliner Behörden lange bekannt.

Der Vorgang ist ungewöhnlich. Als Polizisten der Direktion 2 vor einigen Wochen die Flüchtlingsunterkunft in der Gretel-Bergmann-Halle in Wilmersdorf betraten, waren sie so entsetzt, dass sie sich nach dem Einsatz schriftlich an das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) wandten. »Es gab ein Gespräch mit dem LAGeSO-Präsidenten Franz Allert, bei dem zugesichert wurde, dass das abgestellt wird«, sagt ein Beamter der Direktion 2. Betreiber der Turnhalle mit rund 200 Plätzen ist die Professionelle Wohn- und Betreuungsgesellschaft mbH (PeWoBe). Die Zustände in der Turnhalle waren am Montag auch kurz Thema im Gesundheitsausschuss des Abgeordnetenhauses.

Die PeWoBe, die Unterkünfte und Wohnheime für Flüchtlinge und Obdachlose in Berlin betreibt, steht immer wieder in der Kritik und spielt auch in der sogenannten »Patenschaftsaffäre« eine Rolle. Dabei geht es um Vorwürfe, dass der LAGeSo-Präsident Franz Allert möglicherweise seinen Patensohn bevorteilt haben könnte, der Geschäftsführer des Heimbetreibers GIERSO ist. An dieser Firma ist wiederum die PeWoBe mit 25 Prozent beteiligt.

Das Unternehmen PeWoBe selbst betont dagegen, dass es »ein geschätzter Partner der Kommunen bei der Bewältigung dieser humanitären Großaufgabe« sei. Und tatsächlich greift das zuständige LAGeSO im Millionengeschäft mit der Flüchtlingsunterbringung in Berlin immer wieder auf die PeWoBe zurück: Insgesamt elf Heime mit 3288 Plätzen betreibt das Unternehmen inzwischen. Dass es Probleme mit Abrechnungen und Unterkünften im Zusammenhang mit der PeWoBe gab, hat das »nd« immer wieder berichtet.

Dass das Sozialunternehmen trotzdem immer wieder bei den Ausschreibungen zum Zug kommt, erstaunt umsomehr, als dass seit Jahren Vorwürfe gegen die Firma erhoben werden. Dem »neuen deutschland« liegen interne Dokumente vor, die belegen, dass in einem Wohnheim für Obdachlose der PeWoBe in den Jahren 2012 und 2013 Missstände bezüglich der Hygiene, des Personalschlüssels und der Belegung festgestellt wurden. In der Einrichtung der PeWeBo in der Lahnstraße 56 in Neukölln wurden vom LAGeSo zeitweise auch Flüchtlinge untergebracht. Und das teils zu hohen Tagessätzen von über 97 Euro, wie eine Abrechnung aus dem Jahr 2011 ausweist – üblich sind laut Sozialsenator Mario Czaja (CDU) bei Notunterkünften in Berlin je nach Lage zwischen acht und 36 Euro. Die Unstimmigkeiten werden in behördlichen Korrespondenzen dokumentiert: Es gab eine Überbelegung, die sich rasch in »Vandalismus« und »mangelnder Hygiene« niederschlugen, hieß es 2013. Ob das Kindeswohl der untergebrachten Babys und Kleinkinder gefährdet ist, sollte das Jugendamt auf Wunsch des Bezirks untersuchen. Nach einer Begehung im November 2012 stellte das Bezirksamt zudem fest, dass Zimmer ohne Bauantrag belegt wurden. Dementsprechend lag auch »kein Brandschutzkonzept« vor. Am Ende eines Briefes an das LAGeSO heißt es zusammenfassend: »Aber nach meiner Auffassung ist es zwingend erforderlich, zumindest die gesetzlichen Bestimmungen einzuhalten, wenn öffentliche Gelder fließen. Und das tut der Betreiber nicht.« Auch der bezirkliche Brandschutzbeauftragte kam in seinem Bericht 2012 zu der Beurteilung: »Die Unterbringung hilfebedürftiger Personen seitens des Bezirksamtes Neukölln in dieser Einrichtung kann von meiner Seite nur abschlägig beurteilt werden.«

Wenn es nach der oppositionellen Piratenfraktion geht, kann sich der Senat bei den Geschäften mit der PeWoBe nicht mit der aktuellen Notlage herausreden. »Der Vorgang zeigt, dass die Probleme lange bekannt sind«, sagt der flüchtlingspolitische Sprecher der Piratenfraktion, Fabio Reinhardt. »Die schlechten Zustände der Unterkünfte der PeWoBe haben offenkundig System.« Statt die Notbremse zu ziehen, habe der Senat die Geschäfte sogar noch ausgeweitet. »Diese Firma hat kein Interesse am Wohlergehen der Bewohner oder dem Einhalten von Mindeststandards, sondern nur am maximalen Profit«, sagt Reinhardt.

Auf Anfrage erklärte die PeWoBe am Montag zu den Vorwürfen, dass es sich bei der Lahnstraße 56 um eine Obdachlosenheim handelt. Aus dem Vorfall in der Gretel-Bergmann-Halle habe man Konsequenzen gezogen: Die Personalbesetzung sei über die Vorgaben optimiert sowie Familien und alleinstehende Frauen in eine andere Unterkunft in der Eschenallee verlegt worden.

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