Palästina und die soziale Frage

  • Oliver Eberhardt, Jerusalem
  • Lesedauer: 2 Min.
Während Regierungschef Netanjahu im Wahlkampf Iran zu seinem zentralen Thema gemacht hat, konzentrierte sich die Konkurrenz auf soziale Probleme und die Palästina-Frage.

Wenn am Dienstag um 22.00 Uhr Ortszeit in Israel, Ost-Jerusalem und den besetzten Gebieten die Wahllokale schließen, dann werden in Ramallah die palästinensischen Spitzenpolitiker die ersten Hochrechnungen gespannt verfolgen. »Unser Schicksal wird vor allem in Israel entschieden«, sagt Rami Hamdallah, Regierungschef der Palästinenser.

Ein Blick in die Wahlprogramme der elf Parteien, die auf den Sprung über die Wahlhürde von 3,25 Prozent hoffen dürfen, zeigt: Nur zwei von ihnen lehnen jeglichen Deal mit den Palästinensern ab, und zwar die ultrarechte Partei Jachad und die Siedlerpartei Jüdisches Heim, die sich beide eine Ein-Staat-Lösung mit einem unbegrenzten Siedlungsbau vorstellen, wobei jener Teil Jachads, der vom Rechtsextremisten Baruch Marsel dominiert wird, die Palästinenser am Liebsten ins Ausland abschieben würde. Der Likud-Block bleibt vage: eine Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage von Verhandlungen, keine Teilung Jerusalems und kein Recht auf Rückkehr für palästinensische Flüchtlinge und deren Nachkommen.

Insgesamt aber wird eine Mehrheit der nächsten Knesset für Verhandlungen mit dem Ziel einer Einigung sein, das war schon im scheidenden Parlament so. Die Zionistische Union hat bereits ebenso wie Meretz und Jesch Atid angekündigt, umgehend »ernsthafte Verhandlungen« aufnehmen zu wollen. Mosche Kahlon, der noch 2011 zur Annektierung des Westjordanlandes aufrief, unterstützt nun ebenfalls Verhandlungen, eine Kehrtwende, die auch die beiden religiösen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum vollzogen haben.

Im sozialen Bereich sind sich alle Parteien derweil weitgehend einig: Alles soll besser werden. Wie das gemacht werden soll, ist aber in den einzelnen Programmen meist weniger ausgearbeitet - vor allem der Likud hat auf Konzepte verzichtet. Die Zionistische Union hingegen legt in einem 40-seitigen Dokument dar, wie sie die Lebenshaltungskosten und Mieten in den Griff bekommen möchte. Zusammengefasst: Aufbau eines umfassenden sozialen Netzes, mehr sozialer Wohnungsbau, Mietpreisbremsen - eine Richtung, in die auch das Programm der linken Partei Meretz geht.

Fraglich ist hingegen die Forderung von Linken und Zentristen nach mehr Pluralität: Man möchte Religion und Staat entzerren, gleichgeschlechtliche Ehen und zivile Trauungen. Doch Rechte und Religiöse sind dagegen; sollte eine religiöse Partei an der Regierung beteiligt werden, dürfte auch der Streit um den Wehrdienst für Ultraorthodoxe neu entflammen.

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