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Hubschraubereinsatz am Asylheim
Flüchtlingsrat und Willkommensinitiative kritisieren unsensibles Polizeitraining in Lehnitz
Freundlich begrüßen sich Bewohner und Personal des Asylheims in Lehnitz. »Guten Morgen« und »Hallo« rufen sie sich am Eingang zu. Aus einem Fenster dringen die Stimmen singender Kinder. Auf dem Spielplatz tollen sie so früh am Morgen noch nicht herum. Die Sonne scheint, Vögel zwitschern. Ab und an sind Autos zu hören, die auf dem Mühlenbecker Weg vorbeifahren. Aber ansonsten ist es ruhig.
So ist es aber nicht immer. Fünf Mal im Jahr trainieren Schüler der Fachhochschule der Polizei im benachbarten Fahrsicherheitszentrum des TÜV, außerdem simulieren Beamte Verfolgungsjagden und ganze Hundertschaften üben die Auflösung von Demonstrationen, das Stürmen und Räumen von Häusern oder die Suche nach Vermissten mit dem Hubschrauber. Zuletzt geschah dies am 5., 9. und 12. März mit 200 Einsatzkräften. Auch mit Platzpatronen ist in der Vergangenheit bei solchen Terminen geschossen worden - immerhin aber nicht mehr, seit das Asylheim Ende 2014 bezogen wurde.
Der Landkreis Oberhavel sieht »keine Notwendigkeit« und angesichts steigender Flüchtlingszahlen auch »keine Möglichkeit«, die Menschen anderweitig anzusiedeln. Um bis Jahresende 617 Personen unterzubringen, reichen die Kapazitäten nicht mehr aus, erläutert Sprecher Ronny Wappler. Deswegen sollen bestehenden Heime erhöht ausgelastet, neue Gemeinschaftsunterkünfte eröffnet und zusätzliche Wohnungen bereitgestellt werden. 733 Asylbewerber leben aktuell in Oberhavel. Zu den kürzlich stattgefundenen Übungen sagt Wappler, seitens der Heimbewohner habe es »keinerlei Beschwerden oder Ängste« gegeben.
Da kann Kathrin Willemsen von der Bürgerinitiative »Willkommen in Oberhavel« nur lachen. Sicher haben die Menschen Furcht, ihre Bedenken laut und öffentlich zu äußern. Dazu sei leider kein einziger Flüchtling bereit, bedauert Willemsen. Doch im vertraulichen Gespräch mit ihr haben sie ihre Gefühle geschildert. »Iraker und Iraner haben massiv Angst, auch nur einen Polizisten zu sehen«, berichtet Willemsen. Da spiele die Angst vor einer Abschiebung mit hinein. Das Wissen, dass die Polizeischüler sie definitiv in Ruhe lassen werden, helfe den Flüchtlingen nicht. »Emotionen lassen sich nicht mit dem Verstand unterdrücken.« Es nütze nicht einmal etwas, die Fenster zu schließen und nichts zu hören und zu sehen. Negativ wirke allein das Wissen, dass Polizisten da sind, erklärt Willemsen. Ein Mann sei in seiner Heimat von einem Hubschrauber beschossen worden. Sobald er Rotorgeräusche wahrnehme, suche er reflexartig in Hauseingängen Schutz. All diese Menschen haben Willem versichert, dass sie dringend woanders leben möchten, um solche Zumutungen nicht mehr ertragen zu müssen. Dass die Fahrtrainings nicht einfach verlegt werden können, weil ja viel Geld in das Gelände investiert worden sei, das kann Willem sogar verstehen. Für allen anderen Übungseinheiten müssten aber andere Orte im Bundesland zu finden sein, denkt sie.
Der Flüchtlingsrat Brandenburg fordert sogar »die sofortige Aussetzung aller Polizeiübungen« und weist darauf hin, dass nach den Schätzungen von Fachleuten »mindestens 40 Prozent der Flüchtlinge aufgrund der erlebten Verfolgung und der Flucht traumatisiert sind«. Ängste durch Beobachtung der »Manöver« abzubauen - die Flüchtlinge waren zum Zusehen eingeladen und einige sind wirklich gekommen - widerspreche den jahrelangen Erfahrungen der Traumatherapie.
»Dass für diese Praxistrainings erforderliche Gelände steht uns nur in Lehnitz zur Verfügung«, bedauert Timm Schindler, Sprecher der Fachhochschule der Polizei. »Weil wir nicht möchten, dass Bürgerinnen und Bürger, dazu zählen auch die Flüchtlinge, Angst haben und sich Sorgen machen, informieren wir im Vorfeld und stehen auch für Fragen, bei Bedarf auch in englischer und französischer Sprache, zur Verfügung.« Ziel sei es dabei auch, »den Charakter der brandenburgischen Polizei als eine an den Grundrechten der Menschen orientierte und Willkürmaßnahmen ausschließende Organisation deutlich zu machen«. Schindler bestätigt, die Polizeipräsenz »könnte für rechtsextreme und fremdenfeindliche Täter durchaus abschreckend wirken«. In der Stadt Oranienburg, zu der Lehnitz gehört, gibt es Schwierigkeiten mit Neonazis, die gegen das Asylheim hetzen.
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