Mazyeks Friedensangebot
Chef des Zentralrats versucht, Streit unter Muslimen zu schlichten
Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) sei nicht tot. »Er lebt weiter«, betonte Aiman Mazyek am Donnerstag auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz in Köln. Insbesondere werde der Zentralrat der Muslime (ZMD) den Koordinationsrat nicht verlassen, ließ Mazyek die Öffentlichkeit wissen. Er ist in dieser Frage Experte: Schließlich hat der Medien- und Politiker-Liebling unter Deutschlands Islamfunktionären den Vorsitz des ZMD inne.
Es brodelt seit Längerem im 2007 gegründeten Koordinationsrat, einer Plattform von vier nicht sehr liberalen islamischen Spitzenverbänden, der den Islam als anerkannte Religionsgemeinschaft etablieren will. Es brodelt vor allem zwischen dem ZMD unter Mazyek und der ebenfalls dort organisierten DITIB, einer Dependance der türkischen Religionsbehörde, unter ihrem Generalsekretär Bekir Alboga.
Der schwelende Konflikt eskalierte Ende Februar nach einem Facebook-Posting Mazyeks. Der Zentralrat-Boss habe einen Artikel der »Frankfurter Rundschau« über das soziale Netzwerk verbreitet und sich damit eine darin enthaltene Falschaussage »zu eigen gemacht«, heißt es einer offiziellen DITIB-Stellungnahme. Mazyek, so die umstrittene Aussage, habe sich gegen eine Entscheidung des Koordinationsrates gestellt, als er im September an der Großdemonstration gegen Antisemitismus in Berlin teilnahm.
Für DITIB wog das schwer: »Herr Mazyek vermittelt durch sein Verhalten den Eindruck, die im KRM vertretenen Verbände seien mit Ausnahme des ZMD bei dem Thema Antisemitismus unkritisch oder unsensibel.« Dabei sei es doch »Herr Mazyek« gewesen, der sich innerhalb des Koordinationsrates »energisch gegen eine Teilnahme« ausgesprochen habe, um sich dann kurz vor dem Ereignis spontan umzuentscheiden.
Das Ergebnis: Mazyek bekam gute Presse. Wieder einmal. Währenddessen fiel die Abwesenheit anderer Islam-Repräsentanten vielen unangenehm auf. DITIB spricht deshalb von einem »Vertrauensbruch«.
Mazyek nimmt die Vorwürfe ernst - und organisierte am Donnerstag eigens die Pressekonferenz, um ihnen zu widersprechen. Nein, er profiliere sich nicht auf Kosten anderer Verbände. Auch wolle er sich nicht zum alleinigen Vertreter der deutschen Muslime aufschwingen, betonte Mazyek und regte zu einer engeren Zusammenarbeit der Islamverbände an.
Dem Koordinationsrat gehören neben dem Zentralrat der Muslime und DITIB auch der Islamrat (dominiert durch die vom Verfassungsschutz beobachtete Islamische Gemeinschaft Millî Görüs) sowie der Verband der Islamischen Kulturzentren dem Koordinationsrat an. Insgesamt vertritt der Koordinationsrat rund 225 000 der - je nach Erhebungsmethode - zwischen 3,8 und 4,3 Millionen in Deutschland lebenden Muslime. DITIB mit seinen 120 000 Mitgliedern ist der stärkste Verband. Der Zentralrat hat nur ein Zwölftel der Mitglieder.
Das spiegelt sich allerdings nicht in der Bedeutung ihrer Repräsentanten wider. Mazyek sitzt zwischen Bundespräsident und Bundeskanzlerin, wenn das offizielle Deutschland nach dem Charlie-Hebdo-Anschlag für Weltoffenheit demonstriert. Der Sohn eines Syrers und einer Deutschen wird vom Bundeswirtschaftsminister mit nach Saudi-Arabien genommen, um mit den Scheichs zu verhandeln; er gastiert regelmäßig in Talkshows.
Alboga macht derweil Schlagzeilen, wenn die Eröffnung der DITIB-Moschee in Köln-Ehrenfeld sich wieder einmal verzögert, nebst angehängtem Skandal um millionenschwere Spendengelder und Kritik an seinem »Abtauchen« in dieser Frage. Auch ein an Alboga vergebener universitärer Lehrauftrag ist umstritten. Dozieren sollte der 52-Jährige ausgerechnet über interreligiöse Gespräche und dialogischen Austausch.
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